22. Landesgesundheitskonferenz: Von der Integration zur Inklusion - Gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderungen verbessern
„Die Einrichtungen des Gesundheitswesens sind trotz des vorhandenen Problembewusstseins, entsprechender Zielsetzungen und -vereinbarungen und trotz verschiedener Fortschritte in den vergangenen Jahren bislang weder räumlich noch sprachlich, akustisch und optisch umfassend barrierefrei. Bisherige Maßnahmen berücksichtigen in erster Linie Menschen mit körperlichen Behinderungen, weniger jedoch Personen mit geistigen oder psychischen Behinderungen sowie Menschen mit einer Sinnesbehinderung.“ Das stellte die 22. Landesgesundheitskonferenz NRW in ihrer Entschließung vom 22. November 2013 fest.
Umfassend barrierefrei
Die Konferenz forderte deshalb, für Menschen mit Behinderungen eine wohnortnahe, barrierefreie und flächendeckende Versorgung mit Präventions-, Gesundheits-, Rehabilitations- und Pflegeangeboten sicherzustellen. Dabei sollen die unterschiedlichen Ausgangslagen und Lebensweisen der Geschlechter berücksichtigt werden. Ambulante, stationäre und teilstationäre Einrichtungen der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung sowie Beratungsstellen im Gesundheitswesen sollen einen umfassend barrierefreien bzw. barrierearmen Zugang für Menschen mit Behinderungen gewährleisten.
Die nordrhein-westfälischen Psychotherapeuten stehen deshalb insbesondere vor zwei Aufgaben:
- bis 2013 sollen alle Einrichtungen des Gesundheitssystems barrierefrei sein, das heißt auch psychotherapeutische Praxen und psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser,
- das Thema Behinderung und Inklusion ist in der in Aus-, Fort- und Weiterbildung zu berücksichtigen.
Inklusives Gemeinwesen
Die Landesgesundheitskonferenz bekräftigte die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention, die einen Paradigmenwechsel von der Integration zur Inklusion eingeleitet hatte. Der Wechsel zur inklusiven Wahrnehmung der Lebenswelt geht davon aus, dass die soziale und physische Umwelt so gestaltet wird, dass alle Menschen einer Gesellschaft – ob beeinträchtigt oder nicht – ohne besondere Anpassungsleistungen und ohne Diskriminierung in einem „inklusiven Gemeinwesen“ zusammenleben können. Ziel ist ein gemeinsames, gleichberechtigtes Zusammenleben aller Menschen - unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten, ihrer körperlichen Verfassung, ihrer ethnischen und sozialen Herkunft, ihres Geschlechts oder Alters.
Die Landesgesundheitskonferenz NRW stellte fest, dass die Anforderungen im Versorgungsalltag spürbar zunehmen. Insbesondere zwei Entwicklungen hätten dazu beigetragen. Zum einen erlebe das Gesundheitswesen in den letzten Jahren tiefgreifende Umstrukturierungen, um Effektivität und Effizienz zu erhöhen und zugleich eine bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung sicherzustellen. Diese Herausforderung betreffe alle Personengruppen, die Leistungen des Gesundheitswesens in Anspruch nehmen. Vor allem vulnerable Nutzergruppen, die aufgrund ihrer besonderen sozialen oder gesundheitlichen Situation sowie durch kognitive und kommunikative Beeinträchtigungen ihre Bedürfnisse nur unzureichend artikulieren könnten, verlangten in dieser Hinsicht aber besondere Aufmerksamkeit.
Ältere Menschen mit Behinderungen
Zum anderen führe die demografische Entwicklung dazu, dass einerseits Funktionsbeeinträchtigungen im hohen Alter vermehrt auftreten und daher die Zahl der Menschen mit dauerhaften Behinderungen ansteige. Anderseits sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Gruppe der „alt gewordenen“ Menschen mit Behinderungen an Bedeutung gewinne, d.h. jener Menschen, die bereits im jungen Alter oder von Geburt an eine Behinderung aufwiesen und nunmehr, da sie in ein höheres Lebensalter kommen, zusätzlich typische Beeinträchtigungen in Form einer Pflegebedürftigkeit im Alter entwickelten. In der Gesundheitsversorgung in Deutschland gebe es kaum langjährige Erfahrungen mit dieser Personengruppe. Dabei spiele eine wesentliche Rolle, dass in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur ca. 70.000 Menschen mit Behinderungen durch die als „Euthanasie“ verbrämten Morde umgebracht worden seien. Die in der Nachkriegszeit aufgewachsenen Menschen mit Behinderungen erreichten jetzt das Alter, in dem vermehrt chronische Krankheit und Pflegebedürftigkeit auftreten würden.
Psychische Folgen einer Behinderung
Die Landesgesundheitskonferenz thematisierte auch die psychischen Folgen einer Behinderung. Das Leben mit einer Behinderung stelle besondere Anforderungen an die Betroffenen und ihre Angehörigen. Der Umgang mit diesen Anforderungen im Alltag koste Kraft und könne zu einer erhöhten psychischen Verletzlichkeit führen. Häufige Themen in der (psycho-) therapeutischen Arbeit seien Selbstwertprobleme, Depressionen und Angst, die sich auf vielfältige Weise im Erleben und Verhalten des Einzelnen zeigen könnten. Schwer zu überwindende bürokratische Hürden bei komplexen Zuständigkeiten und Verantwortungen im System verursachten zusätzliche Schwierigkeiten für die Betroffenen und ihr Umfeld.