Psychotherapieverfahren

Für die Behandlung von seelischen Erkrankungen mit Psychotherapie stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Ihre Wirksamkeit ist wissenschaftlich nachgewiesen und die Behandlungserfolge sind in der Regel anhaltend. Welches psychotherapeutische Verfahren jeweils angezeigt ist, wird nach einer umfassenden Diagnostik entschieden.

In der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Durchführung der Psychotherapie hat der Gesetzgeber festgelegt, für welche wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten übernimmt. Aktuell sind dies die analytische Psychotherapie (Psychoanalyse), die Systemische Therapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die Verhaltenstherapie.
 

  • Analytische Psychotherapie/Psychoanalyse

    Der analytischen Psychotherapie zufolge entstehen psychische Erkrankungen durch die unbewusste Verarbeitung früherer Erfahrungen mit ihren Auswirkungen bis in die Gegenwart. Die menschliche Psyche sorgt oft dafür, dass schmerzhafte Erlebnisse aus der bewussten Wahrnehmung verdrängt oder anders erträglich gemacht werden. Dennoch können sie unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. Diese unbewussten Prozesse führen zum Beispiel dazu, dass ursprünglich notwendige Beziehungsmuster ständig wiederholt werden, obwohl sie schon lange unpassend sind und dadurch zu psychischen Erkrankungen führen.

    Ziele der Therapie
    Die analytische Psychotherapie zielt darauf, dass Patientinnen und Patienten über ein tieferes Verständnis für sich selbst psychisch krankmachende Muster des Fühlens, Denkens und Handelns hinter sich lassen können. Die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut unterstützt dabei, sich beispielsweise Beziehungsmuster und ihre Ursachen bewusst zu machen. Die Patientin oder der Patient beschreibt dafür in der Therapie unter anderem ihre oder seine Erinnerungen mit den zugehörigen Empfindungen, möglichst ohne sie zu bewerten. Die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut geht davon aus, dass die dadurch ausgelösten Assoziationen der Patientinnen und Patienten etwas darüber aussagen, was sie innerlich bewegt und ihr Verhalten prägt. Das Gespräch über diese Prozesse hilft den Betroffenen zu erkennen und zu klären, warum sie so fühlen und handeln, wie sie es tun. Es ermöglicht ihnen zu hinterfragen, ob ihre Gefühle, ihr Denken und ihr Handeln aktuell noch passen. Die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut achtet bei dieser Therapieform auch darauf, wie die Patientin oder der Patient die Beziehung mit ihr oder ihm gestaltet. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass auch darin Muster erkennbar werden, die stets wiederholt werden.

    In der analytischen Psychotherapie sehen sich die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut und die Patientin oder der Patient in der Regel mehrfach pro Woche. Die Behandlung dauert häufig zwei und mehr Jahre.
     

  • Systemische Therapie

    Die Systemische Therapie betont, dass psychische Erkrankungen auch damit zusammenhängen können, wie Menschen in ihren alltäglichen Beziehungen mit sich und anderen umgehen. Eine psychische Erkrankung kann danach zum Beispiel ein Ausdruck dafür sein, dass jemand innere Spannungen durch zwischenmenschliche Konflikte für sich nicht anders lösen kann. Vor allem im familiären Beziehungsgeflecht sieht die Systemische Therapie oft wichtige Ursachen für psychische Symptome. Entsprechend können in eine Systemische Therapie Familienmitglieder und weitere wichtige Personen einbezogen werden.

    Sollen oder können die Familienmitglieder oder weitere Personen nicht an der Therapie beteiligt werden, kann die Patientin oder der Patient auch selbst in die Rolle der anderen schlüpfen. Ihre Perspektive einzunehmen kann ihr oder ihm helfen, Beziehungen und ihre Dynamik besser zu verstehen und Lösungen für Schwierigkeiten und Konflikte zu erkennen.

    Um mit den Patientinnen und Patientin dazu zu kommen, dass sie ihr Verhalten ändern und Beziehungen anders gestalten oder betrachten, legt die Systemische Therapie einen Schwerpunkt auf die Stärken der Beteiligten.

    Ziele der Therapie
    In der Systemischen Therapie werden Beziehungen oft räumlich dargestellt, beispielsweise als Zeichnungen, mit Figuren, manchmal auch durch die Aufstellung der realen Personen im Raum. Dabei kann deutlich werden, wie nahe sich die Einzelnen stehen und was sie füreinander empfinden. Dies wiederum kann bei den beteiligten Personen Gefühle und Gedanken auslösen, die denen in den tatsächlichen Beziehungen beispielsweise zwischen Familienmitgliedern entsprechen. Ziel der Therapie ist es, psychisch belastende Verhaltensweisen, aufeinander bezogenes Handeln und Bewertungen umzuwandeln und gesundheitsfördernde Lösungsansätze zu entwickeln. Die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut unterstützt die Patientin oder den Patienten dabei mit Nachfragen und Anregungen.

    Anfangs findet oft alle ein bis zwei Wochen eine Therapiestunde statt. Zum Ende einer Systemischen Therapie können zwischen den einzelnen Behandlungsterminen auch sechs oder acht Wochen vergehen. Die durchschnittliche Dauer Systemischer Therapien liegt bei einigen Monaten. 
     

  • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

    Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie geht davon aus, dass aktuelle Erlebnisse die unbewusste Verarbeitung schmerzhafter Erfahrungen aus früheren Lebensphasen aktivieren können, was seelisch krank machen kann. Obwohl wir uns an die zurückliegenden Erlebnisse und deren Verarbeitung oft nicht erinnern, können sie unser Leben prägen. Früher passende Lösungen sogenannter innerer Konflikte können aber bei aktuellen Herausforderungen versagen. Psychische Beschwerden weisen dann darauf, dass die bisherigen Bewältigungsmechanismen unzureichend sind.

    Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie hat sich aus der Psychoanalyse (s. Eintrag Analytische Psychotherapie/Psychoanalyse) entwickelt. Im Vergleich legt sie den Fokus jedoch mehr auf das „Hier und Jetzt“ und auf stärker umschriebene Therapieziele.

    Ziele der Therapie
    Tiefenpsychologisch arbeitende Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten helfen ihren Patientinnen und Patienten, die unbewussten Ursachen ihrer aktuellen psychischen Beschwerden zu erkennen. Sie unterstützen sie zum Beispiel dabei, sich wiederholende Beziehungsmuster, die ihr Leben prägen und einschränken, zu verstehen und zu verändern. Durch die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie können andere Beziehungserfahrungen möglich werden. Dabei werden aktualisierte bisher unbewusste innere Konflikte zwischen sich widersprechenden Bedürfnissen bearbeitet, damit sie keine psychischen Beschwerden mehr auslösen können.

    In der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie vereinbaren die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut und die Patientin oder der Patient meist einen Termin pro Woche. Die Behandlung dauert häufig ein Jahr.
     

  • Verhaltenstherapie

    Die Verhaltenstherapie basiert auf dem Kerngedanken, dass persönliches Verhalten erlernt wird. Entsprechend geht sie davon aus, dass es auch wieder verlernt werden kann. Als Verhalten gelten dabei äußerlich wahrnehmbare Handlungen und körperliche Reaktionen ebenso wie Gefühle, Gedanken, Motive und wie jemand sich und seine Umwelt innerlich bewertet.

    Konkret geht die Verhaltenstherapie davon aus, dass unser Erleben und Verhalten weitgehend durch die Lernerfahrungen geprägt werden, die wir in unserem Leben machen. Aus den jeweils individuellen Erfahrungen heraus entwickeln wir auch Denkmuster und Überzeugungen, wie wir mit uns und mit anderen umgehen. Dazu gehört zum Beispiel, ob und wie wir unsere Bedürfnisse zum Ausdruck bringen, uns anderen öffnen, Beziehungen eingehen und Konflikte handhaben können. Gegebenenfalls können sich dadurch psychische Symptome entwickeln. Die Verhaltenstherapie kann dann helfen, alternative Wege in der Gestaltung der Beziehung zu sich und anderen zu wählen, um die Beschwerden zu reduzieren oder zu beseitigen.

    Ziele der Therapie
    Psychische Belastungen und Störungen wertet die Verhaltenstherapie als Folge von nicht (mehr) passendem erlernten Verhalten. Entsprechend zielt die Behandlung darauf, dass die Patientin oder der Patient sich negativ auf die seelische Gesundheit auswirkendes Verhalten verlernt oder sich bisher Nicht-Gelerntes aneignet. Um das zu erreichen, gilt es problematische Verhaltensweisen und Denkmuster zu erkennen, ihre Ursachen zu verstehen und zu überlegen, wie das Verhalten verändert werden könnte. Der Schwerpunkt in einer verhaltenstherapeutischen Behandlung liegt dabei vor allem auf aktuellen psychischen Beschwerden.

    Um die persönlichen Therapieziele zu erreichen, ist in der Verhaltenstherapie die aktive Mitarbeit der Patientin oder des Patienten gefordert. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut darum bittet, zwischen den Therapiestunden im Alltag neue Verhaltensweisen auszuprobieren. Auf diese Weise sollen die Patientinnen und Patienten nach und neue, hilfreichere Verhaltensformen erlernen, um besser mit sich und ihrer Umwelt umgehen zu können. Zugleich werden in der Therapie ihre Stärken und Fähigkeiten herausgearbeitet und für den Veränderungsprozess nutzbar gemacht.

    Für eine Verhaltenstherapie treffen sich die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut und die Patientin oder Patient in der Regel einmal die Woche. Zum Ende der Therapie finden die Termine eventuell auch in größeren zeitlichen Abständen statt. Die Behandlung dauert meistens ein halbes bis ein Jahr, manchmal auch länger.