
Psychotherapeutische Versorgung von Geflüchteten
Nach wie vor erreichen Nordrhein-Westfalen zahlreiche Menschen, die ihr Herkunftsland unter den Bedingungen z.B. von Krieg oder Folter auf der Suche nach Sicherheit verlassen haben. Extremerfahrungen von Bedrohung, Not und Ungewissheit können zu körperlichen und psychischen Belastungen bis zu Traumata führen. Bei der Bewältigung kann psychotherapeutische Hilfe eine Unterstützung sein.
Allerdings gewährleistet das Aufnahme- und Asylverfahren in Deutschland keinen umfassenden Zugang zu professioneller psychodiagnostischer und psychotherapeutischer Hilfe. Insgesamt ist die Finanzierbarkeit von Psychotherapie von Geflüchteten in der Regelversorgung und insbesondere der erforderlichen Sprachmittler eingeschränkt.
Geflüchtete finden sich oft in einem unübersichtlichen bürokratischen Labyrinth wieder, das ohne entsprechende Rechtskenntnisse kaum zu durchschauen ist. Dies erschwert auch die Zugangswege und die Aufnahme dieser Hochrisikogruppe, wenn psychotherapeutische Versorgung benötigt wird. Aus den bestehenden engen Regelungen in der ambulanten Richtlinienpsychotherapie ergeben sich weitere Hinderungsgründe, etwa das ohnehin begrenzte Therapieplatzangebot. Erschwerend für eine angemessene Versorgung von psychisch kranken Geflüchteten ist auch eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Schutzsuchende erhalten damit nun 36 Monate statt vorher 18 Monate nur eingeschränkte Gesundheits- und Sozialleistungen, Psychotherapie wird in dieser Zeit nur in Einzelfällen genehmigt.
Gutachten und Stellungnahmen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren
Seit dem „Asylpaket II“ (2016) und dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ (2019) sind Beurteilungen von Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten aus den Verfahren zur Klärung des aufenthaltsrechtlichen Status ausgeschlossen. Vorher war es gängig, sie in der Erstattung von Gutachten nach dem Istanbul-Protokoll zur Bescheinigung von psychischen Erkrankungen in Asylrechtsverfahren zu berücksichtigen. Fachlich ist es nicht zu begründen, dass die hierfür geschulten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten durch diese rechtlichen Änderungen nun explizit außen vor sind.
Die Asylpolitik in Deutschland hat sich seit 2016 von einer Phase offener Aufnahme mit hohen Antragszahlen in Richtung restriktiverer Regelungen und sinkender Zahlen bei der Antragsstellung entwickelt. Neben gesetzlichen Änderungen wurden Verfahren verschärft und der Familiennachzug begrenzt. Die politische Debatte zeigt sich zunehmend geprägt von Kontroll- und Begrenzungsideen.
Vor diesem Hintergrund setzt sich der Vorstand der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen dafür ein, dass die psychotherapeutische Versorgung von Geflüchteten im Blickfeld bleibt und insbesondere weiterer politischer Bemühungen zu ihrer Rechtfertigung erfordert.
Die folgende Auswahl bietet Informationen für die Versorgung von Geflüchteten und Hilfen für Helfende:
- Versorgung von Geflüchteten
- Informationen für die Arbeit mit Erwachsenen
Wie gehen Geflüchtete mit ihren häufig erschütternden Erfahrungen und ihrer von Unsicherheit und Ängsten geprägten Lage um? Was sind typische Reaktionen und Symptome in diesen Extremsituationen? Wie können professionelle Helfende und Angehörige damit umgehen und ihnen beistehen?
- Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) [externer Link] -
- Materialien der Psychotherapeutenkammer Niedersachen in verschiedenen Sprachen - Psychosoziale Unterstützung für geflüchtete Erwachsene und Eltern aus der Ukraine [externer Link]
- Informationsvideos des Refugio München
- Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) [externer Link] -
- Informationen für die Arbeit mit Kindern
Wie können Eltern ihrem Kind helfen, wenn es aufgrund seiner Erlebnisse in der Heimat und auf der Flucht psychisch belastet oder erkrankt ist? Verschiedene Materialien beschreiben, wie sich traumatisierte Kinder und Jugendliche verhalten können und erläutern an konkreten Situationen, wie Eltern angemessen reagieren und ihr Kind besser verstehen können.
- Elternratgeber “Flüchtlinge” [externer Link] der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)
- Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) [externer Link] - Materialien der Psychotherapeutenkammer Niedersachen in verschiedenen Sprachen
- Psychosoziale Unterstützung für geflüchtete Erwachsene und Eltern aus der Ukraine [externer Link] - Informationsvideos des Refugio München
- Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Kontext des Krieges in der Ukraine [externer Link] - Informationen von Der Paritätische - Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege
- Gesundheitsversorgung
Alle Menschen, die Ansprüche nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz haben, erhalten in den ersten 36 Monaten (Wartezeit) ihres Aufenthalts in Deutschland Gesundheitsleistungen nach § 4 und § 6 des Asylbewerber-Leistungsgesetzes.
Die in dem Gesetz vorgesehenen Leistungen entsprechen dabei nicht denen der gesetzlichen Krankenversicherung.In Nordrhein-Westfalen wird Berechtigten eine elektronische Gesundheitskarte ausgestellt, über die medizinische Leistungen wie z. B im Akutfall abgerechnet werden.
Nach 36 Monaten haben Asylsuchende in Deutschland den gleichen Anspruch auf medizinische Versorgung wie Personen, die Leistungen der Sozialhilfe beziehen. Sie erhalten eine generelle elektronische Gesundheitskarte und es fallen die gesetzlichen Zuzahlungen für bestimmte Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung an. Faktisch besteht kein Unterschied mehr zu gesetzlich Versicherten. Kostenträger der Leistungen für Asylsuchende ist allerdings weiterhin das Sozialamt. Eine tatsächliche Mitgliedschaft in einer Krankenversicherung besteht nicht.
- Welche Gesundheitsleistungen stehen Asylsuchenden zu? [externer Link] – Informationen der Verbraucherzentrale NRW e. V.
- Medizinische Versorgung von geflüchteten Menschen [externer Link] – Informationen des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW)
- Informationen und Angebote für geflüchtete Menschen und Helfende [externer Link] – Psychosoziales Zentrum für Geflüchtete (PSZ) Düsseldorf e. V.
- Informationen der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e. V.) [externer Link]
- Leitfaden zur Beantragung einer Psychotherapie für Geflüchtete [08/2020] [PDF, 443 KB] der BAfF e. V.
- Sprachmittlung
Sprachmittlung (qualifiziertes Dolmetschen und Übersetzen für Patientinnen und Patienten mit eingeschränkten Deutschkenntnissen) ist bislang nicht formell im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verankert. Damit besteht aktuell kein gesetzlicher Anspruch auf eine solche Leistung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Für die Legislaturperiode 2021-2025 hatten die Regierungsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Koalitionsvertrag als klare Zusage festgehalten: „Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen wird im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB V“ (s. Koalitionsvertrag 2021-2025, S. 66 Online-Version)
Seitdem haben zahlreiche Fachverbände wie der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ), die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege und Bündnisse wie TransVer-neXus und Triaphon Gesetzgeber und Fachpolitik mehrfach aufgefordert, diese Zusage umzusetzen. Ein Beispiel ist (das von der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) mitgezeichnete Positionspapier „Sprachmittlung“ der AG zur Verbesserung der Versorgung traumatisierter Geflüchteter [Stand 01/2022] [PDF, 135 KB].
Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD (2025) findet die Aufnahme von Sprachmittlung jedoch keine Erwähnung. Das Thema bleibt damit ein offenes Anliegen.
- Position der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen
Zur Verbesserung der Versorgung traumatisierter Geflüchteter muss mit Blick auf die Versorgung psychisch erkrankter Menschen berücksichtigt werden, dass Sprachmittlung im Kontext notwendiger medizinischer Leistungen Bestandteil des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) wird. Der Berufsstand hat sich hierzu öffentlichkeitswirksam positioniert:
- Resolution „Keine Sparmaßnahmen bei der psychosozialen Versorgung Geflüchteter!“ [PDF, 69 KB] der Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen, verabschiedet am 01.12.2023
- Resolution „Sprachmittlung als Leistung ins SGB V aufnehmen!“ [PDF, 100 KB] der Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen, verabschiedet am 21.05.2022
- Hilfen für Helfende
- Für die psychotherapeutische Arbeit mit Patientinnen und Patienten
Für die psychotherapeutische Arbeit mit geflüchteten Menschen sind mehrere Aspekte zu beachten. Hier erhalten Sie Hinweise, wie mit durch Flucht traumatisierten Menschen umgegangen werden sollte, aber auch, wie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten Geflüchtete in ihrer Praxis behandeln können. Folgende Informationsquellen können für haupt- und ehrenamtlich Helfende von Nutzen sein:
- Praxisleitfaden: Traumasensibler und empowernder Umgang mit Geflüchteten [PDF, 2,1 MB], herausgegeben von der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF)
- Leitfaden zum Dolmetschereinsatz/Einsatz von Sprach- und Kulturmittlern [Stand 02/2016] [PDF, 116KB], herausgegeben vom Psychosozialen Zentrum (PSZ) Düsseldorf
- Ratgeber für Flüchtlingshelfer [Stand 05/2016[ [PDF, 123KB], herausgegeben von der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)
- Flüchtlinge in unserer Praxis [PDF, 5,7MB], herausgegeben von der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF)
Informationen zur psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) [externer Link] der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen
- Für Angehörige und Eltern
Unter anderem informiert die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) in ihrem Elternratgeber Flüchtlinge [externer Link] darüber, wie sich traumatisierte Kinder und Jugendliche verhalten können, und erläutert an konkreten Situationen, wie Eltern angemessen reagieren und ihr Kind besser verstehen können. Der Online-Ratgeber wird in den Sprachen Deutsch, Englisch, Arabisch, Farsi (Persisch), Kurmandschi (Kurdisch), Russisch und Ukrainisch angeboten.
- Hintergrundinformationen zu organisatorischen Aspekten
Hier erhalten Behandlerinnen und Behandler praktische Informationen zu organisatorischen Aspekten in Bezug auf die Psychotherapie mit geflüchteten Menschen. Informieren Sie sich hier zu Leistungsansprüchen, wie die Ermächtigung für die Behandlung erlangt werden kann oder wie sich Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten untereinander vernetzen können.
- Informationsvideo Die Ermächtigungsregelung – Psychotherapie für geflüchtete Menschen Teil 1 und Informationsvideo Die Ermächtigungsregelung – Psychotherapie für geflüchtete Menschen Teil 2 [externe Links]
- Merkblatt Ärztliche Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine [Stand 04/2022] [PDF, 463 KB] der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO)
- Medizinische Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern [externer Link] der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL)
- Liste der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) mit Suche von und Eintragsmöglichkeit für Vertragspraxen, die ukrainische Geflüchtete versorgen [externer Link]
- Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BafF) [externer Link]
- Qualitätszirkelbörse und die Intervisionsgruppenbörse der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen