3. Regionalversammlung im Regierungsbezirk Münster
Informationen über aktuelle berufspolitische und kammerbezogene Themen und der Wunsch, miteinander ins Gespräch zu kommen, standen auch in der 3. Regionalversammlung der Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) im Mittelpunkt. Die Kammer hatte ihre Mitglieder im Regierungsbezirk Münster am 7. September 2016 hierfür nach Gelsenkirchen eingeladen.
Kammerpräsident Gerd Höhner eröffnete die Versammlung mit einem allgemeinen Blick auf die Stellung der Profession im Gesundheitssystem. „Wir stellen immer wieder fest: Unsere beiden Heilberufe sind seit 17 Jahren Teil des Versorgungssystems, aber als immer noch junger Beruf mitnichten von allen Akteuren fraglos akzeptiert.“ Das zeige sich beispielsweise in den Gesprächen zur geplanten Ausbildungsreform oder wenn Themen wie Befugniserweiterungen diskutiert werden. „Es ist längst nicht für alle Kollegen im Versorgungsumfeld selbstverständlich und auch nicht immer gewollt, dass Psychotherapeuten Soziotherapie verordnen oder krankschreiben dürfen“, konstatierte Gerd Höhner. Umso wichtiger sei die Aufgabe, für die Akzeptanz der Berufsgruppe einzutreten. „Im Alltag ist das eine kleinteilige Arbeit, die viel Präsenz, Gespräche und Geduld erfordert. Nach außen ist sie wenig sichtbar – im berufspolitischen Engagement der Kammer spielt sie eine große Rolle.“
Hilfen für Geflüchtete und Helfer
Gerd Höhner kam dann auf die Aktivitäten der PTK NRW in der Flüchtlingsversorgung zu sprechen. „Wir waren von Beginn an bestrebt, uns eng mit den Psychosozialen Zentren in NRW abzustimmen. Das ist in den einzelnen Regionen unterschiedlich angelaufen, aber insgesamt gut gelungen. Vor allem sehen wir, dass Akteure und Interessierte in den Regionen sich mittlerweile besser vernetzen können.“ Weiterhin stark nachgefragt seien die Fortbildungen der Kammer zur Psychotherapie im interkulturellen Setting. „Viele der mittlerweile gut 400 Teilnehmer melden uns zurück, die Fortbildung habe sie motiviert, sich zu engagieren“, freut sich Gerd Höhner.
Positiv stellte er heraus, dass nach anfänglichen Widerständen bei den Zulassungsausschüssen und Kreisstellen nunmehr eine Reihe von Sonderermächtigungen für die Versorgung von Geflüchteten erreicht werden konnten, die bedarfsunabhängig von den Kassenärztlichen Vereinigungen vergeben werden. Er wies zugleich aber auch darauf hin, dass nach der ersten Zeit des Ankommens damit zu rechnen sei, dass vermehrt Bedarfe an psychotherapeutischer Versorgung im engeren Sinne zutage treten. „Angesichts der ohnehin mangelhaften Versorgungslage besteht hier deutlicher Handlungsbedarf. Es freut uns daher, dass wir von unserer Gesundheitsministerin Signale in diese Richtung empfangen“.
Kritisch wertete Gerd Höhner, dass weiterhin Regelungen für die Finanzierung von Dolmetscherleistungen fehlen. „Wir können nicht vernünftig versorgen, wenn es keine gemeinsame Sprache gibt.“ Zudem bräuchte es eine Vergütung für die Helfer. „Mit Ehrenamt lässt sich viel erreichen – aber nicht alles. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum man gerade in diesem Arbeitsbereich den Engagierten immer wieder gerne bloß auf die Schulter klopft. Erfreulicherweise besteht mittlerweile zumindest Konsens darüber, dass etwas geschehen muss. Wenn unser Landesministerium dies beim Bund einfordert, ist das keine Drückebergerei, sondern ein wichtiges Zeichen.“
Landespsychiatrieplan NRW
Gerd Höhner informierte auch über die Arbeiten an einem Landespsychiatrieplan NRW und der Beteiligung der Kammer an diesem Prozess. Das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) hatte in das Beteiligungsverfahren neben den Kammern, Fachverbänden und Krankenkassen auch Vertreter der Selbsthilfe-Organisationen eingebunden. „Wir begrüßen es sehr, dass Vertreter der Selbsthilfe gehört werden“, sagte der Kammerpräsident. „Es liegt uns am Herzen, Patienten selbstständiger zu machen. Wenn sie unterstützt werden, sich in entsprechenden Gremien zu Wort zu melden, ist das ein Schritt in diese Richtung.“
Den Gesamtprozess der Entwicklungsarbeit, die in den nächsten Monaten zum Abschluss kommen wird, bewertete Gerd Höhner als erfolgreich. „Die Psychotherapeuten sind in dem Entwurf für den neuen Landespsychiatrieplan gut vertreten, sie sind zum Beispiel nun an der Notfallversorgung beteiligt. Die traditionelle Sicht, was vorwiegend Aufgabe der Psychiater sei, ist damit durchbrochen. Unsere Vorstandsmitglieder waren hierfür sehr aktiv und an vielen Gremien und Sitzungen beteiligt. Das Ergebnis ist eine gute Grundlage für die zukünftige Stellung unserer Profession im Versorgungssystem.“ Cornelia Beeking, Beisitzende im Vorstand der PTK NRW, betonte anhand dieses Erfolges nochmals die Bedeutsamkeit kleiner Schritte für das große Ganze: „Wenn unsere Berufsgruppe im Landespsychiatrieplan festgeschrieben wird, sich das in weiteren Publikationen des Ministeriums, im Krankenhausplan oder bei der Vergütungsplanung niederschlägt, stärkt das unseren Platz im Gesundheitssystem“.
In einem Exkurs kam Gerd Höhner auf die vor kurzem vollzogene Eingruppierung der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) zu sprechen. „Die Eingruppierung nach E 14 stößt auf berechtigten Widerstand und wir haben hier Gesprächsbedarf. Aber unsere Berufsgruppe ist jetzt im System verankert. Wenn Kliniken im Rahmen des Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (PEPP) die erbrachten Leistungen demnächst auf den Beruf hinunterbrechen müssen, wird unsere Arbeit in den Klinikbudgets sichtbar. Das ist ein deutlicher Pluspunkt“.
Bedarfsplanung der psychotherapeutischen Versorgung
Mit Blick auf die Bedarfsplanung der psychotherapeutischen Versorgung erläuterte der Präsident der PTK NRW die Historie der aktuellen Situation und die sich daraus ableitenden Probleme. Zudem ordnete er die Bedarfsplanung als wichtiges Thema in der Kammerarbeit ein. „Wir haben hierzu inzwischen viel zu Gehör bringen können, der Patientenbeauftragte der Bundesregierung hat die Probleme erkannt und dem Gesundheitsminister vorgetragen.“ Zudem habe die nordrheinwestfälische Kammer einen Vorschlag für eine verbesserte Bedarfsplanung an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gerichtet. „Er beinhaltet, die Planung nicht wie bisher allein auf Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu gründen, sondern die Leistungsmengen zu berücksichtigen, aus KV-Praxen und aus der Kostenerstattung. Damit sind die psychotherapeutischen Leistungen zwar immer noch nicht zu 100 Prozent erfasst. Doch die Unschärfe ist erheblich geringer als bisher. Bislang haben wir hierzu allerdings noch keine Antwort vom G-BA erhalten“.
In der Aussprache bekundeten mehrere Teilnehmer ihr Unverständnis über die alten, bislang nicht behobenen Planungsfehler. Einige schilderten Erfahrungen und auch Unsicherheiten, etwa wie bei der Abgabe eines halben Kassensitzes oder der Nachfolge für einen angestellten Psychotherapeuten zu verfahren sei, um die Zulassung zu erhalten.
Entwicklung der Beitragsordnung
Andreas Pichler, Vizepräsident der PTK NRW, gab einen Einblick in den Kammerhaushalt und die Entwicklung der Beitragsordnung. Nach der Umstellung von einem Regelbeitrag auf einen einkommensbezogenen Mitgliederbeitrag mit Beginn 2015 wurde leider schnell deutlich, dass sich mit dieser Regelung ein systematisches finanzielles Defizit für den Kammerhaushalt ergeben hat. „Es zeigte sich, dass Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten weniger verdienen, als wir das auf der Basis einer Umfrage unter unseren Kammermitgliedern im Jahr 2012 abschätzen konnten“, erläuterte Andreas Pichler. Um im Sinne einer gerechten Beitragsordnung schnell darauf zu reagieren, hatte die Kammer ab 2016 einen zusätzlichen Sockelbetrag von 70 Euro für jedes Mitglied beschlossen. Er deckt den Beitrag an die Bundespsychotherapeutenkammer sowie die Kosten für das Psychotherapeutenjournal ab. „Für die Zukunft haben wir mit diesem Konzept eine funktionierende Grundlage für einen stabilen Haushalt“, informierte Andreas Pichler. „Auch die Rücklage können wir in den nächsten Jahren Schritt für Schritt wieder auffüllen“.
In der Aussprache war unter anderem Thema, was als psychotherapeutische Leistung zu definieren und damit beitragsrelevant sei. Der Vizepräsident der Kammer betonte, dass Psychotherapie nicht ausschließlich Richtlinienpsychotherapie im Kontakt mit Patienten sei. „Wer für seinen Beruf die Approbation benötigt, arbeitet psychotherapeutisch“, konstatierte Andreas Pichler. Zudem sei die Kammer bestrebt, die Profession in ihren Kompetenzen breit aufzustellen. „Eine zu enge Definition von psychotherapeutischer Leistung wäre hierfür nicht förderlich.“ Ein Teilnehmer brachte ein, dass andere Bereiche wie beispielsweise Schule sehr von Psychotherapie profitieren könnten. Einige Mitglieder erkundigten sich, ob der Vorstand der PTK NRW Möglichkeiten sehe, Ausgaben zu sparen. Andreas Pichler erklärte hierzu, dass der Haushalt grundsätzlich eng gerechnet sei, die Kammer im Sinne des Heilberufsgesetzes bestimmte Aufgaben zu erfüllen habe und damit den Einnahmen sinnvolle und notwendige Ausgaben gegenüberstehen würden.
G-BA-Beschluss zur Psychotherapie-Richtlinie
Im Juni dieses Jahres hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) über neue Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes entschieden, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung, der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien, der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. „Insgesamt ergibt sich ein Bild, mit dem wir nur teilweise zufrieden sein können“, bilanzierte Andreas Pichler. „Es ist viel Sachverstand unserer Berufsgruppe in die Beschlüsse eingeflossen – dennoch führen einige Ergebnisse durchaus zu Enttäuschungen und Unsicherheiten, etwa hinsichtlich der Sprechstunde, der Zweiteilung der Kurzzeittherapie oder der Rezidivprophylaxe. Manche Regelungen sind aber auch ein Schritt hin zu der beabsichtigten besseren Versorgung von Patienten. Wir werden mehr Erkenntnisse gewinnen, wenn wir uns in der nächsten Zeit intensiv mit den Änderungen im Einzelnen befassen. Derzeit gibt es noch viel zu klären, bis die neue Richtlinie im April 2017 in Kraft tritt. Über die Ergebnisse und ihre Bedeutung für die Praxis werden wir unsere Mitglieder tiefergehend informieren. Eine erste Zusammenstellung über die Neuerungen in der Psychotherapie-Richtlinie wird unser in diesem Monat erscheinende Newsletter geben.“ Alle Interessierten können den Newsletter auch über die Homepage der PTK NRW abrufen.
Reform der Psychotherapeutenausbildung
Über den aktuellen Stand bei der Reform der Psychotherapeutenausbildung informierte Wolfgang Schreck, Beisitzer im Vorstand der PTK NRW und Vorstandsmitglied der BPTK. In Zukunft wird es nicht mehr die beiden Berufe Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten geben. Stattdessen wird ein Beruf angestrebt: der des Psychotherapeuten/der Psychotherapeutin. „Orientiert an der Ausbildung der Mediziner ist ein Direktstudium mit Staatsexamen vorgesehen, an dessen Ende die Approbation erteilt wird“, erläuterte Wolfgang Schreck. Anschließend ist eine Weiterbildung mit verpflichtenden Anteilen im ambulanten und im stationären Bereich geplant. In der Gebietsweiterbildung sollen jeweils in den wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren vertiefte Kenntnisse und Kompetenzen erworben werden. „Für die Weiterbildung sind derzeit fünf Jahre im Gespräch. In dieser Zeit soll wie bei der Arztausbildung ein Gehalt gezahlt werden“, so Wolfgang Schreck. Zu den wichtigen noch zu klärenden Fragen gehört, welche Hochschulen den Studiengang anbieten können, welche Inhalte das Studium beinhaltet, wie die Länder die Weiterbildung ausgestalten und wie sie finanziert werden kann. Ein Referentenentwurf zur Ausbildungsreform wird in den nächsten Wochen erwartet.
In der Diskussion wurde erörtert, dass es nicht darum ginge, das bestehende Psychologiestudium abzuschaffen. „Wir können aber auch nicht sagen: Wir wollen zwar etwas ändern, aber alles erhalten“, betonte Wolfgang Schreck. „Wie das genaue Design des neuen Studiengangs schließlich aussieht, ist noch offen. Aber sicher ist: Wo Psychotherapie draufsteht, muss auch Psychotherapie drin sein“. Ein Teilnehmer brachte die Überlegung vor, ob die Weiterbildung ein Anreiz sei, wenn man bereits mit der Approbation arbeiten könne. „Die Weiterbildung ist mittlerweile der Standard, den die gesetzlichen und auch immer mehr private Kassen zugrunde legen“, antworte Wolfgang Schreck. „Das finden wir auch richtig. Zudem gehen wir davon aus, dass motivierte Kolleginnen und Kollegen antreten, die nach dem Studium auch die Weiterbildung und die sich damit eröffnenden Karrieremöglichkeiten anstreben werden. Denn erst wer die Weiterbildung abgeschlossen hat, kann sich sozialrechtlich niederlassen und als Psychotherapeut Kassenpatienten behandeln oder in einer Einrichtung arbeiten“. Eine Teilnehmerin stellte zur Diskussion, ob die jetzigen Ausbildungsinstitute als zukünftige Weiterbildungsinstitute genügend Plätze bereitstellen werden. „Was die Finanzierung betrifft, sehen wir hier durchaus Lösungen“, so Wolfgang Schreck. „Unsere Kolleginnen und Kollegen in Weiterbildung nehmen ja aktiv an der Versorgung teil. Grundsätzlich muss man festhalten: Wir brauchen ausreichend Psychotherapeuten, um eine angemessene Versorgung sicherzustellen. Um das zu schaffen, ist auch die Politik gefordert“.