5. Regionalversammlung in Köln
Am 20. September fand in der Reihe der Regionalversammlungen der Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) in Köln die Regionalversammlung für den Regierungsbezirk Köln statt. Der Vorstand hatte die Kammermitglieder eingeladen, um sie über aktuelle gesundheitspolitische Themen in NRW und auf Bundesebene zu informieren und Einblicke in die Arbeit der Kammer zu geben. Rund 80 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten waren der Einladung gefolgt.
Versorgungsplanung im Ruhrgebiet
Eingangs sprach Kammerpräsident Gerd Höhner die Versorgungsplanung an und stellte insbesondere die Verbesserungsbedarfe im Ruhrgebiet dar. Die generell deutlich spürbare Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage an psychotherapeutischen Leistungen leitete er zum einen aus den alten Fehlern in der Bedarfsplanung ab. „Man hat 1999 zum Stichtag 31. August die Zahl der Psychotherapeuten zugrunde gelegt, die bereits eine Zulassung hatten“, erläuterte Gerd Höhner. „Sämtliche Leistungen in der Kostenerstattung fielen damit unter den Tisch. Nochmals kleingerechnet hat man die Gesamtzahl der Therapeuten, indem man die neuen Bundesländer einbezogen hat, in denen es zu diesem Zeitpunkt erste Ansätze einer ambulanten psychotherapeutischen Versorgung gab.“
Als besonders kritisch mahnte er die Lage im Ruhrgebiet an. Auch hier wurde in der Versorgungsplanung der Ist-Zustand festgeschrieben, das Ruhrgebiet von der geltenden Systematik zur Berechnung der zugelassenen Psychotherapeutensitze jedoch ausgenommen und als Sonderregion ausgewiesen. „Die Versorgung dort war aber ohnehin bereits schlechter als anderswo“, konstatierte Gerd Höhner. „Die PTK NRW spricht sich klar dafür aus, den Sonderstatus aufzulösen und die Zahl der Psychotherapeuten im Ruhrgebiet deutlich zu erhöhen.“
Steigende Nachfrage
Zum andere nehme die Profession eine generell steigende Nachfrage nach psychotherapeutischen Leistungen wahr. Das würden eigene Statistiken wie die über die Wartezeiten auf einen Therapieplatz zeigen. „Aber auch Erhebungen wie der aktuelle AOK-Report oder die Angaben der Deutschen Rentenversicherung zu den Gründen für Berufsunfähigkeit und Frühverrentung weisen einen deutlichen Anstieg der Diagnosen im Bereich psychischer Erkrankungen aus“, informierte Gerd Höhner.
Entsprechend groß sei der Handlungsbedarf. Das neue Planungsinstrument des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für die ambulante Versorgung sei jedoch vor 2020 nicht zu erwarten. „Bis dahin darf aber nicht nichts passieren“, forderte der Kammerpräsident. „Die Kammer ist daher hier sehr aktiv und bringt ihre Forderungen immer wieder in die gesundheitspolitischen Diskussionen ein.“ Dabei könne man als Profession sehr selbstbewusst auftreten. „Es kursiert immer noch das Argument, Psychotherapeuten würden bloß die leichten Fälle behandeln. Abgesehen davon, wer ‚leicht’ oder ‚schwer’ definieren soll, zeigen die Diagnosespektren aber ein ganz anderes Bild“, so der Kammerpräsident. Als erfreulich beschrieb er, dass sich festgefahrene Zuständigkeiten zunehmend auflösen würden. „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten werden zum Beispiel immer häufiger als Sachverständige für familiengerichtliche Gutachten angefragt. Wir Psychotherapeuten sind definitiv in der Versorgung angekommen. Das bedeutet auch, dass wir gegen – zum Teil heftige – Widerstände antreten müssen. Oft geht es dabei nur in kleinen Schritten voran. Umso wichtiger ist es, am Ball zu bleiben.“
Weiterhin Wartezeiten
In der Aussprache äußerten mehrere Kammermitglieder ihre Unzufriedenheit mit den bestehenden Regelungen. Sie kritisierten, dass Sprechstunden und telefonische Erreichbarkeit gemäß der seit April 2017 geltenden neuen Psychotherapie-Richtlinie eher Kapazitäten binden als neue Behandlungsplätze schaffen würden. Auch eine fehlende Gesprächsgrundlage für Verhandlungen mit den Privatkassen wurde bedauert.
Zur Psychotherapie-Richtlinie hielt Gerd Höhner fest, dass die Terminservicestellen in beiden nordrhein-westfälischen Landesteilen derzeit eine erhebliche Anfrage verzeichnen würden, die Terminvermittlungen aber dennoch nicht gut funktionieren würden. „Das erstaunt uns ebenso wenig wie die Erkenntnis, dass sich mit den neuen Regelungen die Wartezeiten auf einen Therapieplatz nicht verkürzt haben. Wir haben von Beginn an vorgetragen, dass die Sprechstunde keine neuen Behandlungsplätze bringt.“
Reform der Psychotherapeutenausbildung
Ein weiteres zentrales Thema auf der Regionalversammlung war die Reform der Psychotherapeutenausbildung. Gerd Höhner betonte, dass sie mit dem vorliegenden Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) in das Gesetzgebungsverfahren eingetreten sei und somit definitiv anlaufen würde. Ziel der Reform ist, ein bundesweit einheitliches, klar normiertes Ausbildungssystem mit universitärer Grundlage und einer strukturierten Weiterbildung zu schaffen. Angelehnt an die Struktur der Ausbildung der Ärzte ist ein fünfjähriges Studium mit Bachelor- und Masterabschnitten vorgesehen, an dessen Ende die Absolventen ein Staatsexamen ablegen und die Approbation erhalten. In der anschließenden Weiterbildung wird die fachgebundene Qualifikation für die psychotherapeutische Behandlung von Kinder und Jugendlichen oder Erwachsenen erworben.
Hinsichtlich einer neuen Ausbildungsstruktur spricht sich die PTK NRW für ein Direktstudium aus. Als wichtiges Aufgabenfeld bereits jetzt definiert Gerd Höhner die Ausgestaltung der Weiterbildung, die in die rechtliche Kompetenz der Länder fällt. „Wir müssen uns bereits jetzt darum kümmern, wie die derzeitigen Ausbildungsinstitute zu künftigen Weiterbildungsinstituten werden.“ Generell sei es angezeigt, den komplexen Gestaltungsprozess der Reform weitgehend geschlossen voranzutreiben, hob er hervor. „Unsere Profession vereint erfreulich viele Ansätze, die in die Diskussion einfließen. Unsere Stärke liegt aber darin, wesentlich ein gemeinsames übergreifendes berufliches Interesse zu verfolgen.“
Eine Teilnehmerin der Regionalversammlung sprach ebenfalls den Wunsch aus, eine Lagerbildung zu vermeiden und vielmehr Gemeinsamkeiten in der Arbeit zu betonen. Mit Interesse verfolgen die Kammermitglieder auf der Regionalversammlung die Frage, wie die zukünftige Berufsbezeichnung ausfallen wird und inwiefern die Reform der Ausbildung Auswirkungen auf die Therapeutenidentität habe.
Neue Berufsfelder erschließen
Der Präsident der nordrhein-westfälischen Kammer kam in diesem Zusammenhang auch auf neue Berufsfelder zu sprechen. „Wir erhalten vermehrt Anfragen aus dem Bereich chronisch-körperlicher Erkrankungen und müssen überlegen, wie Psychotherapeuten sich hierfür spezialisieren können. Die Frage, ob dafür neue Inhalte in die Weiterbildungsordnung aufgenommen werden sollen, wird derzeit kontrovers diskutiert.“ Als Beispiele für relevante zukünftige Arbeitsfelder nannte er die Jugend- und die Altenhilfe.
Ein Kammermitglied gab zu bedenken, dass sich mit einer Spezialisierung womöglich durch die Hintertür ein symptomorientiertes Denken einschleiche, das Seelische sich jedoch nicht in kleine Einheiten zersplittern ließe. Ein weiteres Kammermitglied merkte an, approbierte Psychotherapeuten dürften nicht in das Denken geraten, ohne weitere Spezialisierungen nicht zu genügen. Andererseits fiel der Hinweis, dass Zusatzqualifikationen helfen könnten, im Sinne eines umsichtigen Zukunftsdenkens neue Tätigkeitsfelder für die Profession zu erschließen.
Mechthild Greive, Vorstandsmitglied der PTK NRW, berichtete, dass diese Diskussion auch auf dem Deutschen Psychotherapeutentag und in der Kammerversammlung geführt würde. „Die Abstimmungen ergeben eine Mehrheit für zusätzliche Qualifikationen wie die im Bereich Diabetes. Die Approbation wird dadurch aber verändert und nicht abgewertet werden. Sie gilt weiterhin für die Behandlung der ganzen Bandbreite psychischer Störungen – Zusatzqualifikationen gelten für bestimmte somatische Bereiche.“ Gerd Höhner fügte mit Blick auf die Entwicklung der Berufe an, dass Psychotherapeuten vermehrt Organisationsformen wie die Kooperationen in Praxisgemeinschaften andenken sollten. „Wir sehen darin zukunftsfähige Modelle – sei es, um Leistungen wie ein Sekretariat besser vorhalten zu können oder um starre Arbeitszeitraster von morgens acht bis abends sechs Uhr aufzulösen, dem zum Beispiel viele Frauen zunehmend weniger folgen möchten.“
Beitragsordnung und Haushalt
Zum Abschluss informierte Gerd Höhner über die Entwicklung der Beitragsordnung und den Kammerhaushalt. Zum Jahr 2015 hatte die PTK NRW eine einkommensorientierte Beitragsordnung eingeführt. Da sich bald eine systematische Unterfinanzierung abzeichnete, führte die Kammer 2016 zusätzlich einen Grundbeitrag von 70,00 Euro für jedes Mitglied ein. „Das Defizit kam zustande, da unsere Mitglieder weniger verdienen, als die Auswertung einer Stichprobe im Vorfeld erkennen ließ“, erklärte er. „Mit dem zusätzlichen Grundbetrag, der unserer Abgaben pro Mitglied an die Bundespsychotherapeutenkammer entspricht, haben wir nun wieder das Niveau von vor 2015 erreicht und der Haushalt ist zukunftssicher gedeckt.“
Diskutiert wurde im Zuge der Ausführungen des Präsidenten die Frage, welche Verdienste als Bemessungsgrundlage für den Beitrag herangezogen werden. „Es wird allein das Einkommen aus psychotherapeutischer Arbeit zugrunde gelegt“, informierte Gerd Höhner. „Wie das zu definieren ist, darüber gibt es durchaus Streit. Die Gerichte treffen jedoch eine klare Aussage: Zu berücksichtigen sind Verdienste aus Tätigkeiten, bei denen die Psychotherapie-Ausbildung eine Rolle spielt. Als Kammer können wir dieser Position nichts Schlechtes abgewinnen. Eine Regelung muss es geben.“
Nach einem informativen Abend und vielen Gesprächsbeiträgen aus dem Plenum verabschiedete Gerd Höhner die Teilnehmer der Regionalversammlung und bedankte sich für den regen Austausch und die gute Diskussion.