Bessere psychische Betreuung notwendig Psychotherapie und Organtransplantation

Es ist ein lebensgefährlicher Wettlauf mit der Zeit: In Deutschland warten rund 12.000 Menschen auf ein ge­spendetes Organ. Doch nur 4.000 Organe werden je­des Jahr gespendet. Jeden Tag sterben drei Menschen, die auf die Niere, Leber, Lunge oder das Herz eines anderen warten. Die Angst vor dem Tod bestimmt auch die Wochen und Monate nach einer Operation, weil der Körper das fremde Organ abstoßen kann.

„Der Patient kann nichts tun, als ohnmächtig warten“, erklärte Monika Konitzer, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer NRW. „Dieses Ausgeliefertsein ertragen Menschen sehr unterschiedlich gut oder schlecht. Schwer erträglich ist auch, dass das eigene Leben vom rechtzeitigen Tod eines anderen Menschen abhängt.“ Die Psychotherapeutenkammer NRW forderte deshalb auf der Tagung „Psychotherapie und Organtransplantation“ am 6. Februar in Düsseldorf eine bessere psychotherapeutische Betreuung von Organtransplantierten. Die Bundesregierung habe eine kritische Bestandsaufnahme der Transplantationsmedizin in Deutschland angekündigt. Sie wolle insbesondere überprüfen, wie die organisatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen im Krankenhaus gestaltet werden können, damit die Organspende und Organtransplantation gestärkt wird. „Wir meinen“, erklärte NRW-Präsidentin Konitzer, dass zum Erreichen dieses Zieles vor allem eines wichtig ist: Die Situation der Patienten und Angehörigen muss in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken.“

Gleichzeitig warb Konitzer für mehr Organspenden. Die Zahl der Or­ganspenden ist in Deutschland nach wie vor zu gering. Im Jahr 2009 spendeten bundesweit 1.217 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe. Damit spenden von einer Million Einwohnern 14,9 Menschen bis zu acht Organe. Die Spendebereitschaft liegt in Nordrhein-Westfalen im Bundesdurchschnitt: Im Jahr 2009 spendeten an Rhein und Ruhr 259 Menschen ihre Organe. Das waren 14,5 Menschen von einer Million Einwohnern. Im Osten der Bundesrepublik ist die Spendebereitschaft deutlich höher (18,1 bis 19,2). „Wir möchten vor allen Dingen, dass sich mehr Menschen bewusst entscheiden, ob sie ihre Organe spenden möchten oder nicht. Mit der Organspende schenken sie einem anderen Menschen häufig ein zweites Leben und es ist nie zu spät, einem anderen sein Herz zu schenken“, erklärte Burkhard Tapp vom Bundesverband der Organtransplantierten.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sprach ein Grußwort auf der Düsseldorfer Tagung, an der fast 200 Psychotherapeuten und Interessierte teilnahmen: „In den vergangenen Jahren haben wir die sprechende Medizin zu gering geschätzt“. Der Minister sprach sich deshalb für eine ganzheitliche Betreuung von Organtransplantierten aus, wie sie bereits in nordrhein-westfälischen Brustzentren realisiert sei. „Medikamente und Apparate alleine reichen in der Medizin nicht aus. Wir haben es mit Menschen zu tun“, mahnte Karl-Josef Laumann. „Die Psyche ist ganz entscheidend für die Genesung.“ Der Minister sprach sich für eine weitere Erhöhung der Organspenden in NRW aus. „Die Organspende ist eine der sensibelsten, aber auch eine der schönsten Fragen der Medizin, weil dadurch Menschen eine Hoffnung auf Weiterleben ermöglicht wird.“

Die Psychotherapeutenkammer NRW veranstaltete die Düsseldorfer Tagung mit dem Bundesverband der Organtransplantierten e.V. (BDO). „Die nordrhein-westfälische und die ostdeutsche Psychothera­peutenkammer waren die einzigen Kammern, die auf unsere An­schreiben und Bitte nach Unterstützung reagierten“, resümierte BDO-Sprecher Burkhard Tapp. „Die psychischen Belastungen vor, direkt nach und auch im Langzeitverlauf nach einer Organtransplantation können je nach Situation erheblich sein. Häufig fühlen sich Patienten und Angehörige mit diesen Problemen allein gelassen.“ Selbsthilfe­gruppen könnten hier nur sehr eingeschränkt helfen. „Es fehlt vor al­lem an qualifizierten Psychotherapeuten, die wohnortnah zu den Hilfe­suchenden praktizieren“, stellte Tapp fest.

Tapp schilderte zahlreiche Beispiele für psychische Belastungen vor und nach Organtransplantationen:

  • Angst, die Wartezeit bei zunehmender Verschlechterung des Zustandes nicht zu überleben,
  • Angst vor dem erhöhten Infektionsrisiko aufgrund der Immunsuppression,
  • Angst vor akuten Abstoßungsreaktionen und vor einer chronischen Abstoßung (vor allem nach Lungentransplantation – BOS),
  • Stark eingeschränkte soziale Kontakte bis hin zur sozialen Isolation,
  • Reaktionen der Umwelt auf die lebensbedrohliche Situation, die Sauerstoffpflichtigkeit, Tragen des Mundschutzes (teilweise mit Zurückschrecken, da der Träger als infektiös betrachtet wird),
  • Überforderung der Eltern, da sie Reaktionen und Verhalten der kranken oder operierten Kinder nicht verstehen und teilweise mit Überbehütung reagieren und vieles durchgehen lassen,
  • Beziehungsprobleme, z.B. aus Angst den Partner nicht zusätzlich belasten zu wollen, teilweise Trennungen vor und nach einer Transplantation,
  • Fehlende Rollenorientierung,
  • Depressionen bis hin zum Selbstmord,
  • Angst vor den Untersuchungen (z.B. Biopsie, Bronchoskopie) bzw. deren Ergebnissen auch in der Nachsorge.

Die Fülle dieser Beispiele zeige, wie notwendig psychotherapeutische Angebote seien. Damit Pati­enten schneller einen Psychotherapeuten finden, unter­stützt die Psychotherapeutenkammer NRW den BDO beim Aufbau einer Adresskartei. In dieser Kartei werden Psychotherapeuten aufgenommen, die sich bereit er­klärt haben, Patienten vor und nach der Operation zu beraten und zu behandeln. „Durch die Fragebogenak­tion unter den niedergelassenen Psychotherapeuten in NRW stehen nun Adressdaten von rund 200 Psycho­therapeuten zur Verfügung, die bereits überwiegend Erfahrungen mit Patienten aus dem Bereich Organspende und Transplantation haben“, erklärte BDO-Sprecher Tapp. Der BDO führt ferner eine Expertenliste, auf die niedergelassene Psychotherapeuten zurückgreifen können, die sich über spezielle Fragen der Transplantationsmedizin informieren möchten.

(Kontaktadresse: transplantation-aktuell@bdo-ev.de)

Die Tagung war insbesondere durch die Erfahrungsberichte von Patienten und Angehörigen geprägt. BDO-Vorsitzende Monika Kracht erzählte eindringlich von der Organtransplantation ihrer Tochter, deren dramatische Umstände dazu führten, dass sie zur Gründerin des Verbandes wurde. Die Zeit, in der sie mit ihrer Tochter auf die Transplantation wartete, sei „eine Höllenqual“ gewesen, weil sie jeden Tag mit dem Tode ihrer Tochter rechnen musste. Drei Jahre dieser Wartezeit verbrachte ihre Tochter im Krankenhaus. Die 16-stündige Operation, während der ihre Tochter eine andere Leber erhielt, sei ihr wie ein ganzes Jahr vorgekommen. Doch die Operation sei auch eine Wende in ihrem Leben gewesen, weil sie die Chance bedeutet hatte, ihr Kind „wieder zurück ins Leben zu kriegen“. Erst nach Jahren sei ihr klar geworden, „unter welch enormen psychischen Druck“ sie selbst und ihre Familie gestanden habe. Auch nach der Operation hätte sie mit „einer Fülle schier unlösbarer Probleme“ zu kämpfen gehabt, berichtete die BDO-Vorsitzende. Eine Psychotherapie, an der die ganze Familie habe teilnehmen können, sei die „Rettung für ihre Familie“ gewesen.

Helga Hense schilderte die Organstransplantation aus der Sicht einer Ehefrau, deren Mann plötzlich verstarb und die deshalb unvermittelt von Ärzten gefragt wurde, ob sie einer Organspende zustimme. Sie berichtete, wie schwierig es in dieser Situation gewesen sei, „in Würde über die Organspende entscheiden“ zu können. Die Klinikärzte hätten sie „möglichst jetzt und sofort“ zur Organspende gedrängt. Sie hätten außerdem mitgeteilt, dass „es sich sonst nicht lohne“ die Maschinen, an die ihr Mann auf der Intensivstation angeschlossen war, eingeschaltet zu lassen. Hense betonte, es sei insbesondere einem seelsorgerischen Beistand zu verdanken gewesen, dass sie an dieser Situation nicht zerbrochen sei. Helga Hense entschied sich übrigens - trotz des inakzeptablen Drängens der Ärzte - für die Organspende.

Nils Könemann, 28 Jahre, gehört „zu den Glücklichen“, die heute dank eines fremden Organs leben. Er wurde mit vierfach vergrößerten Nieren, Leber und Milz geboren. Die Ärzte hätten ihm eine Überlebenschance von „ein paar Monaten“ gegeben. Das Leben mit den kranken Organen sei für ihn als Kind „normal“ gewesen“, berichtet Könemann. Er hätte ein anderes Leben ja gar nicht gekannt. Das Krankenhaus wurde für ihn zu einem „zweiten Zuhause“, dort fühlte er sich bei Ärzten und Pflegepersonal in guten Händen. Als eine Krampfader in seiner Speiseröhre geplatzt sei, sei er fast verblutet und hätte nur durch eine direkte Blutspende einer Krankenschwester überlebt. „Ich habe erst jetzt verstanden, was ich durchgemacht habe“, stellte Nils Könemann fest. Vor zehn Jahren bekam er sowohl eine fremde Leber als auch eine fremde Niere gespendet und damit ein neues Leben geschenkt. In den Jahren nach der Operation hätte er seine Pubertät nachgeholt und eine „großartige Zeit“ erlebt, aber auch unter erheblichen Nebenwirkungen der Tabletten zu leiden gehabt. Die „Hölle“ hätte er allerdings dann kennen gelernt, als er vier Jahre lang an einem chronischen Juckreiz litt. Diese Jahre hätten ihn an seine Grenzen gebracht, er sei vollkommen erschöpft und niedergeschlagen gewesen, die Zeit sei „ganz, ganz schlimm“ gewesen. Eine Behandlung in einer psychosomatischen Klinik habe er nicht als hilfreich erlebt, im Gegenteil, er habe sich dort in der Gruppentherapie völlig fehl am Platz gefühlt. Trotzdem suche er weiter nach psychotherapeutischer Hilfe, weil „eine dunkle Wolke“ über seinem Leben hinge.

Katharina Tigges-Limmer, Psychologische Psychotherapeutin, beschrieb die Psychotherapie am Transplantationszentrum in Bad Oeynhausen. Dabei unterschied sie die unterschiedlichen Belastungen in der Diagnosephase, der Phase vor der Operation, der Transplantations- und der postoperativen Phase. Der Patient habe anfangs rund 20 verschiedene medizinische Untersuchungen zu absolvieren, die über die alles entscheidende Frage entscheidet: „Bin ich würdig auf die Transplantationsliste zu kommen?“ Zu den psychischen Belastungen während der Wartezeit gehörten: die Ungewissheit, wann die Transplantation möglich ist und ob sie überhaupt rechtzeitig möglich ist, der Zustand, immer in Alarmbereitschaft zu sein, den eigenen Leistungsabbau zu spüren, Luftnot, Verlust von Autonomie und Kontrolle, Rollenumkehr in der Familie, Schuldgefühle über das Warten auf den Tod eines anderen Menschen, Operationsängste, Todesängste.

Aufgabe der psychologischen Exploration sei es auch, so Tigges-Limmer, psychische Kontraindikationen für eine Transplantation festzustellen (z.B. Psychosen, akute Suizidalität, Substanzabhängigkeit). Nach der Operation beständen bei den Patienten große Ängste vor Fehlfunktionen und Abstoßung des fremden Organs. Elementare Aufgabe sei es auch, das fremde Organ zu integrieren. Zu den psychologischen Aufgaben zähle es, „aus dem Fremden das Eigene“ werden zu lassen. Im Langzeitverlauf einer Transplantation träten folgende psychische Störungen auf:

  • Depressionen: 17,8 Prozent (F32.0, F32.1),
  • Angst: 20 Prozent (F40.00, F40.20),
  • Posttraumatische Belastungsstörungen: 13,8 Prozent (F43.0, F43.1),
  • Anpassungsstörungen: 10 Prozent (F43.21),
  • Ess-Störungen (Kachexie, Bulimie, Adipositas),
  • Adherence-Störungen.

Adherence bezeichne die Fähigkeit   und Bereitschaft eines Patienten, an der Umsetzung eines therapeutischen Programms aktiv mitzuwirken. In der Transplantationsmedizin gehöre dazu insbesondere die korrekte Medikamenteneinnahme, eine gesunde Lebensweise (Diät, körperliche Aktivität, Nikotin-, Alkohol- und Drogenabstinenz, UV-Protektion) und die regelmäßige medizinische Nachsorge. Circa 20 Prozent aller Patienten nähmen die Medikamente nicht, nicht regelmäßig, nicht in exakter Dosis, nicht zu gegebener Zeit ein oder eine medikamentöse Auszeit („drug holidays“). Bisher seien etwa 200 Faktoren identifiziert, die die Adherence beeinflussen.

Bei einer psychischen Störung ständen Standardtherapien zur Verfügung. Wichtig sei eine Integration des Psychotherapeuten in das Transplantationsteam. Zu den psychologischen Interventionen gehörten:

  • Emotionale Begleitung,
  • Ressourcenorientierung,
  • Zukunftsorientierung,
  • Familiengespräche,
  • Entspannungsverfahren,
  • Imaginationsübungen,
  • Würdigung und Umstrukturierung der Angst,
  • Dissoziation weiterer Belastungen,
  • Supportive Therapie bei somatischer Verschlechterung,
  • Kriseninterventionen,
  • Schmerzbewältigungstechniken,
  • Hypnotherapie,
  • Vermittlung in ambulante/stationäre/Rehabilitations-Psychotherapie, Selbsthilfegruppen, Kontakt zu ebenfalls betroffenen Patienten,
  • Informationen in Schriftform,
  • Schulungsprogramme.

Dr. Gabriele Angenendt, Psychologische Psychotherapeutin, beschrieb die Posttraumatische Belastungsreaktion (PTSD) nach einer Organtransplantation und die Möglichkeiten der Behandlung. Nach Dew et al. (1999) entwickelten 16 Prozent von 158 Herztransplantierten nach zwölf Monaten eine PTSD. Stukas et al. (1999) stellten ein Jahr nach der Operation bei 10,5 Prozent eine PTSD fest, bei 5 Prozent eine subsyndromale PTSD. Ein psychisches Trauma sei ein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt. Ein Trauma sei eine normale Reaktion auf ein inneres oder äußeres pathogenes Ereignis. Traumatogene Situationsfaktoren bei potentiell tödlichen, chronischen Erkrankungen seien Todesdrohung, Antizipation körperlicher Versehrtheit, Autonomieverlust, Bedrohung der sozialen Identität/Selbstwert.

Aufgrund einer PTSD könnte der Patient nicht auf vorhandene Coping-Strategien zurückgreifen, so Angenendt. Vermeidungsreaktionen führten häufig zur Non-Compliance (Medikation, ärztliche Betreuung), dies wiederum führe zu Abstoßungsreaktionen bzw. erhöhter Mortalität. Bei der Therapie unterschied Angenendt die drei klassischen Phasen: Stabilisierung, Traumabearbeitung und Integration. Kern der Behandlung von Akuttraumatisierten sei, dass der Patient angeleitetet werde, die fragmentarischen Traumaerinnerungen nach und nach über Sprache zu fassen und zu einer „kompletten“ Situation zusammenzusetzen.

Prof. Dr. Richard Viebahn von der Ruhr-Universität Bochum schilderte das Patientenwohl und den Organmangel aus ärztlicher Sicht. Eine Organtransplantation verlängere die Lebenserwartung eines Patienten erheblich, auch die Lebenserwartung von Nierenpatienten, bei denen eine Dialyse vorgenommen werde. Viehbahn führte seinen Zuhörern die chirurgischen Realitäten der Transplantationsmedizin vor Augen (z.B. Fotos einer Niere im Plastikbeutel, einer krankhaft verkleinerten Leber, eines Herzens in den Händen des Operateurs).

In Deutschland herrsche ein erheblicher Organmangel, so Viebahn. Der Tod auf der Warteliste sei eine tragische Realität. Die Wartezeiten betrügen: bei Herz zwölf Monate, bei Lunge circa zwölf Monate, bei Leber circa fünf Monate, bei Niere 60 bis 84 Monate, bei der Bauchspeicheldrüse zwölf Monate, bei Dünndarm sechs Monate. Nur bei Leber und Bauchspeicheldrüse stürben weniger Patienten auf der Warteliste. Indikationen für eine Psychotherapie seien aus Sicht des Transplantationsmediziners: die Situation auf der Warteliste („Wann kommt mein Organ, überlebe ich so lange“), aber auch die Compliance während der Wartezeit und nach der Transplantation. Auch die Nebenwirkungen der Behandlung nach einer Transplantation könnten durch psychotherapeutische Unterstützung verringert werden.

Dr. Renate Breuer und Sören Melsa von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in NRW schilderten die gesetzlichen Regelungen des Transplantationsgesetzes von 1997. Eine Organspende ist nur zulässig, wenn:

  • der Tod des Organspenders nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist,
  • eine Zustimmung zur Organentnahme vorliegt,
  • der Eingriff durch einen Arzt vorgenommen wird.

Eine Organentnahme ist dagegen nicht zulässig, wenn:

  • vor der Entnahme bei dem Organspender nicht der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist,
  • die Person, deren Tod festgestellt ist, der Organentnahme widersprochen hat.

Dr. Breuer schilderte den Ablauf einer Organtransplantation und die unterschiedlichen Aufgaben von dem Krankenhaus, in dem das Organ entnommen wird, der Koordinierungsstelle DSO, der Vermittlungsstelle Eurotransplant und dem Transplantationszentrum. Die institutionelle Trennung der einzelnen Aufgaben solle maximale Rechtssicherheit und Transparenz der Entscheidungen gewährleisten. Für viele Menschen sei der Hirntod, der festgestellt werden müsste, allerdings noch eine ungewohnte Vorstellung vom endgültigen Todeszeitpunkt, insbesondere deshalb, weil sie mit dem Augenschein kollidiere. Die Angehörigen sähen noch einen Menschen, dessen Brustkorb sich hebe und senke und dessen Herz noch schlage. Seit der ersten elektrischen Wiederbelebung des Herzens sei der Herzstillstand jedoch kein endgültiges Lebensende mehr. Deshalb habe die Medizin den Hirntod als den Zeitpunkt definiert, der kein Zurück ins Leben mehr erlaube. Der Hirntod sei der Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Dabei werde durch kontrollierte Beatmung die Herz- und Kreislauffunktion noch künstlich aufrechterhalten. Wesentliche Elemente der Hirntodfeststellung seien: Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft (Bundesärztekammer), zwei qualifizierte Ärzte, unabhängige Untersuchung, keine Beteiligung an einer evtl. Organentnahme oder Transplantation, keine Anweisungen durch beteiligte Ärzte und schriftliche Dokumentation.

DSO-Vertreter Sören Melsa stellte klar, dass eine Organspende in Deutschland nur möglich sei, wenn:

  • eine Zustimmung des Verstorbenen vorliegt oder
  • die Zustimmung der nächsten Angehörigen vorliegt, falls keine Äußerung des Verstorbenen zur Organspende bekannt ist („erweiterte Zustimmungslösung“).

Die DSO biete allen Angehörigen in dieser Situation ihre Beratung an. Ziel sei, den vermuteten Willen des Verstorbenen herauszufinden und den Angehörigen eine stabile Entscheidung zu ermöglichen. Mit dieser Entscheidung sollten die Angehörigen „nicht nur die nächsten Tage, sondern Jahre“ leben können. Das Gespräch würde zielorientiert, aber ergebnisoffen geführt.

Franziska Langer, Mitglied der „Kommission Transplantationsmedizin bei der Ärztekammer Nordrhein“, stellte dar, welche Aufgaben die Kommission bei einer Lebendspende hat. Danach ist es Aufgabe der Kommission, in einer Anhörung der spendewilligen Person zu überprüfen, ob „begründete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Organspende nicht freiwillig erfolgt oder das Organ Gegenstand verbotenen Handeltreibens ist.“ Der Kommission gehören jeweils ein Richter, ein Arzt und eine „in psychologischen Fragen erfahrene Person“ an. Die Kommission habe eine wichtige psychologische Funktion, da sie in der starken emotionalen Dynamik, die eine Transplantation mit sich bringe, eine neutralisierende, affektsteuernde und Distanz herstellende Wirkung entfalte und dem Vorgang einer Lebendorganspende eine angemessene Bedeutung geben könne.

NRW-Präsidentin Monika Konitzer wies abschließend darauf hin, dass bisher qualitative Mindeststandards für die „psychische Betreuung“ fehlen, zu der jedes Zentrum nach § 10 Transplantationsgesetz verpflichtet ist. Dazu gehören entsprechende Fortbildungen für Ärzte und Krankenschwestern, aber auch psychotherapeutische Beratung und Behandlung, wenn eine psychische Krise oder Krankheit vorliegt. CDU, CSU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag eine „kritische Bestandsaufnahme“ der Transplantationsmedizin in Deutschland vereinbart. „Bei dieser Bestandsaufnahme darf ein Punkt nicht fehlen“, forderte Präsidentin Monika Konitzer. „Menschen, die auf ein fremdes Organ warten oder mit ihm leben, brauchen eine bessere psychische Betreuung. Diese psychische Betreuung reicht bisher nicht aus. Sie ist nicht einheitlich geregelt. Eine professionelle psychische Betreuung sollte zum Standard jedes Transplantationsgesetzes gehören.“

Die Verbesserung des Transplantationsgesetzes sollte folgenden Prinzipien folgen:

  • eine professionelle psychische Betreuung gehört zu einem integrierten Behandlungskonzept jedes Transplantationszentrums,
  • für diese Betreuung sind qualitative Mindeststandards festzulegen,
  • die psychische Betreuung ist vor, während und nach dem Krankenhausaufenthalt sicherzustellen,
  • die psychische Betreuung ist grundsätzlich für den Patienten und seine Angehörigen notwendig, bei Lebendspendern auch für die Spender,
  • es ist ein gestuftes System von psychosozialen Angeboten über psychologische Unterstützung bis hin zu psychotherapeutischen Interventionen zu entwickeln.
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