„Die Agenda 2022 ist anspruchsvoll“
„Das zurückliegende Jahr hat die Profession in vielerlei Hinsicht gefordert, in gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen ebenso wie in berufspolitischen Prozessen“, bilanziert Gerd Höhner, Präsident Psychotherapeutenkammer NRW. „Im Namen des Kammervorstandes danke ich unseren Mitgliedern für ihr großes Engagement in der Versorgung und für die konstruktiven Diskussionen in berufspolitischen Fragen. Unserer Geschäftsstelle gilt mein Dank für die gelungenen Arbeitsprozesse auch bei ‚Mammutaufgaben‘ wie der Umstellung auf ein digitales Veranstaltungsangebot oder der Ausgabe des elektronischen Heilberufsausweises.“
Ausreichende Versorgungskapazitäten schaffen
Die COVID-19-Pandemie war auch 2021 ein prägendes Thema. „Viele Kolleginnen und Kollegen berichten in diesem Zusammenhang von vermehrten Anfragen“, informiert Gerd Höhner. Es sei anzunehmen, dass sich diese Entwicklung fortsetzen werde, da psychische Leiden häufig mit einer gewissen Latenz auftreten würden. „Wir haben die gesundheitspolitisch Verantwortlichen wiederholt aufgerufen, die Basis für ausreichende psychotherapeutische Angebote zu schaffen und werden diese Forderung mit in das neue Jahr nehmen. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind enorm engagiert. Doch wo Kapazitäten fehlen, fehlen Kapazitäten. Und monatelange Wartezeiten sind indiskutabel.“ Auch im Zuge der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen im Juli 2021 seien die Mängel im System sichtbar geworden. „Nach der Flut haben sich rasch psychotherapeutische Hilfsangebote formiert und ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die sich engagiert haben“, sagt Gerd Höhner. „Ihre große Einsatzbereitschaft kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir weitere Kapazitäten benötigen. Zudem braucht es flexible Regelungen, um in akuten Krisen besser reagieren und langfristige Bedarfe angemessen versorgen zu können.“
Zu den gebotenen Maßnahmen zähle unter anderem, dass die Krankenkassen Anträge auf Kostenerstattung für psychotherapeutische Behandlungen auf der Grundlage von § 13 Abs. 3 im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bewilligen. Des Weiteren sei die Tätigkeit von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Rahmen von Sonderbedarfen und in Anstellung zu fördern. Ein besonderes Augenmerk müsse auch auf ausreichende Möglichkeiten für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen liegen, die unter den Folgen der Pandemie oftmals erheblich leiden würden.
Weiterentwicklung fachlicher Standards
Ein Meilenstein in der berufspolitischen Arbeit 2021 sei die Verabschiedung der Muster-Weiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gewesen. Die künftige Weiterbildung bilde die Vielfalt der psychotherapeutischen Tätigkeitsfelder ab, qualifiziere gleichwertig für die unterschiedlichen Arbeitsbereiche, ermögliche den Aus- und Aufbau benötigter Versorgungsbereiche und sorge dafür, dass Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten auch zukünftig gemäß des wachsenden Aufgabenprofils tätig sein können. „Insbesondere ist nun die Finanzierung der ambulanten Weiterbildung zu klären“, fordert Gerd Höhner. „Auf Landesebene wird uns die Ausgestaltung einer Weiterbildungsordnung für NRW beschäftigen.“ Ebenso gehöre die Qualitätssicherung zu den vorrangigen Themen 2022. „Der Gesetzgeber wird hierzu Regelungen erarbeiten. Als Berufsstand dürfen wir dies nicht bloß abwarten. Wir müssen in eigenen Konzepten sinnvolle Maßnahmen vorschlagen.“
Klare Signale für die Zukunft
Ein deutliches Signal sendete die Psychotherapeutenkammer NRW mit ihrem Ende 2021 veröffentlichten Positionspapier zum Klima- und Umweltschutz: Die Zusammenstellung zeigt auf, was in der Kammer bereits umgesetzt wird, und bietet einen Orientierungsrahmen für weitere Schritte. „Auch an diesen Themen werden wir 2022 intensiv weiterarbeiten“, betont der Kammerpräsident. „Überlegungen gelten zum Beispiel der Konzeption von Fortbildungen und gesundheitspolitischen Fachveranstaltungen zu den Zusammenhängen von Klimaschutz und Psyche sowie Aktivitäten in die Richtung ‚Praxis goes green‘.“
An die neue Bundesregierung appelliert der Vorstand der Psychotherapeutenkammer NRW, die in den Koalitionsvertrag aufgenommene Stärkung der psychotherapeutischen Versorgung zügig anzugehen und konsequent umzusetzen. Zu den avisierten Zielen gehören unter anderem: eine Reform der Versorgungsplanung und damit eine Verringerung der Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz; eine bessere Versorgung von Menschen mit schweren und komplexen psychischen Erkrankungen; eine leitliniengerechte psychotherapeutische Versorgung und eine bedarfsgerechte Personalausstattung im stationären Bereich.
Ein Großteil der Themen 2021 werde den Berufsstand damit auch 2022 weiterhin beschäftigen, fasst Gerd Höhner zusammen. „Wir freuen uns darauf, die konstruktive Arbeit innerhalb der Profession und den engen Austausch mit unseren Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern im Gesundheitswesen fortzuführen. Zunächst einmal wünscht Ihnen der Vorstand der Psychotherapeutenkammer jedoch einen entspannten Jahreswechsel, alles Gute und vor allem Gesundheit für das neue Jahr.“