Informationsveranstaltung „Angestellte im Fokus“ am 7. September 2022 zur Umsetzung der Weiterbildung in Krankenhaus und Rehabilitation
„Wie kann die neue Weiterbildung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im stationären Bereich umgesetzt werden?“ Diese Frage stand im Fokus der Online-Informationsveranstaltung „Angestellte im Fokus“ der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen am 7. September 2022. Der Deutsche Psychotherapeutentag hatte im November 2021 die noch fehlenden Abschnitte der Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten verabschiedet. Seitdem konnte die Gestaltung der Weiterbildung auf der Landesebene intensiviert verfolgt werden. Auf der Fachveranstaltung wurden die Anforderungen an die stationäre Weiterbildung und die Implikationen für angestellt tätige Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten diskutiert. Ihre Umsetzung wurde auch aus der Sicht eines künftigen Weiterbildungsbefugten und der Perspektive der Aus- und Weiterbildungskandidatinnen und -kandidaten erörtert. Die Veranstaltung wurde federführend vom Ausschuss „Psychotherapie in Krankenhaus und Rehabilitation“ der Kammer geplant und durchgeführt.
Viele Aufgaben, vorsichtiger Optimismus
Gerd Höhner, Präsident der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen, begrüßte die rund 130 Teilnehmenden, die zugeschalteten Vorstandsmitglieder und das Organisationsteam der Geschäftsstelle. Er dankte dem Ausschuss für die Ausrichtung der Veranstaltung, die nicht zuletzt ein sichtbares Zeichen für dessen erfolgreiche Arbeit sei. Die Kammerversammlung werde in einer außerordentlichen Sitzung Mitte September die Weiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen beraten und zur Abstimmung stellen. Mit den zu erwartenden Beschlüssen werde nach einem langwierigen, anspruchsvollen und im Ergebnis lohnenswerten Arbeitsprozess ein bedeutsamer Meilenstein erreicht. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen hätten ihn mit großem Engagement auf Landes- und Bundesebene mitgestaltet.
Zu der noch ungeklärten Finanzierung der Weiterbildung erhalte man aus der Politik Signale, dass nach Beschlussfassung zur Weiterbildungsordnung durch die Profession hierzu abschließend diskutiert werden könne, berichtete Gerd Höhner. Herausfordernd sei unter anderem, wie die approbierten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in die Struktur der Krankenhäuser eingegliedert würden. Hier seien noch viele Gespräche zu führen. Er sei jedoch vorsichtig optimistisch, dass die jetzigen Bedenken hinsichtlich der Übernahme von Behandlungsverantwortung und Leitungsfunktionen durch die Weiterbildungsteilnehmenden auch aufgrund des zunehmenden Mangels an qualifizierten Ärztinnen und Ärzten demnächst nicht mehr so laut vorgetragen würden.
Dr. Georg Kremer, Vorsitzender im Ausschuss „Psychotherapie in Krankenhaus und Rehabilitation“ der Kammer, moderierte den mittlerweile fünften Fachtag der Fortbildungsreihe „Angestellte im Fokus“. In seiner Begrüßung wies er darauf hin, dass sich die Reihe an Kammermitglieder richte. Angesichts des aktuellen Schwerpunktthemas habe man für diese Veranstaltung jedoch auch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) die Teilnahme ermöglicht.
Umsetzung der stationären Weiterbildung
Dr. Tina Wessels, Referentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), stellte in ihrem Vortrag die Anforderungen der MWBO an die mindestens zweijährige Phase der stationären Weiterbildung für approbierte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dar. Ihre Qualifizierung erfolge in Kliniken, die von der Landeskammer als Weiterbildungsstätte zugelassen sein müssen. Verantwortet werde sie von ebenfalls durch die Kammer zugelassenen Weiterbildungsbefugten. Auch Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten könnten diese Funktion übernehmen. Die Position der Weiterbildungsbefugten in den Krankenhäusern sei vergleichbar mit der von leitenden Psychologen und Psychotherapeuten in Kliniken. Die MWBO ermögliche aber auch die Weiterbildung in kleineren Häusern ohne entsprechende Leitungsfunktionen.
Die stationäre Weiterbildung öffne der Profession einen guten Zugang zu Kompetenzen in Aufgabenfeldern, die insbesondere in der Klinik mit zum Alltag gehören, beispielsweise der Notfallversorgung in psychischen Krisen, hielt Tina Wessels fest. Ihre Umsetzung sei weitgehend in den bestehenden Strukturen der Häuser möglich. Viele Tätigkeiten der Weiterbildungsbefugten seien bereits mit der PPP-Richtlinie (Richtlinie zur Ausstattung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal gemäß § 136a Absatz 2 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)) beschrieben. Zu den Vorteilen für die Krankenhäuser gehöre, dass die bereits approbierten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten unter Anleitung breit eingesetzt werden und alle mit der Richtlinie vorgesehenen Regelaufgaben erbringen könnten. Der Graubereich in Bezug darauf, wie viel Verantwortung derzeitige PiA in Kliniken übernehmen können, fiele weg.
Zur Finanzierung der notwendigen Stellen habe die BPtK gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) einen Vorschlag erarbeitet: Die Personalkosten für die Weiterbildungsstellen sollen als Zuschlag auf das Krankenhausbudget verhandelt werden können. Aktuell erarbeite man in der BPtK Muster-Richtlinien, die die Kammern bei der Zulassung von Weiterbildungsstätten und Weiterbildungsbefugten unterstützen sollen. Insgesamt sei es das Ziel, die Weiterbildung zügig in Gang bringen. Schon bald würden erste Approbierte nach ihrem Studium diese Qualifizierungsphase beginnen wollen.
Entwicklungsmöglichkeiten aus Sicht eines künftigen Weiterbildungsbefugten
In einem zweiten Vortrag schilderte Thorsten Borda aus seiner Sicht Chancen und Herausforderungen, die mit der neuen Weiterbildung im stationären Bereich einhergehen könnten. Der Psychologische Psychotherapeut ist in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Evangelischen Krankenhaus Castrop-Rauxel für die Weiterbildung der bisherigen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Ausbildung verantwortlich. Im Rahmen der neuen Weiterbildung werde er sich als Weiterbildungsbefugter engagieren.
Er sei optimistisch, dass die zukünftigen Kolleginnen und Kollegen nach ihrem Studium gut ausgebildet in die Kliniken kämen, betonte Thorsten Borda. Die Häuser wiederum sehe er in der Lage, die qualitativen Standards der Weiterbildung gut zu erfüllen. Es sei allerdings unumgänglich, dass die neue Weiterbildung Veränderungen mit sich bringen werde. So habe man in seiner Klinik die bisherigen Ausbildungsteilnehmenden von administrativen Arbeiten freigestellt. Künftige Weiterbildungsteilnehmende werde man angesichts ihrer höheren Qualifizierung und damit einhergehenden Bezahlung stärker analog zu den Planstellen von Psychologinnen und Psychologen einbinden müssen – nicht zuletzt auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit.
Sorge habe er, dass durch die höhere tarifliche Eingruppierung der Weiterbildungsteilnehmenden unbefristete Stellen verloren gehen, da sie in günstigere Weiterbildungsstellen mit Zwei- bis Dreijahresverträgen umgewandelt würden. Kaufmännisch möge sich das rechnen – für die Qualität der Teams und die Attraktivität der Häuser als Arbeitgeber sehe er Nachteile, urteilte Thorsten Borda. Probleme sehe er auch bei der Bereitstellung von Weiterbildungsstellen. Schon jetzt würde es an Stellen für die bisherige Ausbildung mangeln. Mit Start der neuen Kolleginnen und Kollegen werde sich der Druck im System nochmals erhöhen. Ebenso könne nicht jede Klinik ohne Weiteres die vorgesehene Theorie, Supervision und Selbsterfahrung abbilden.
Insgesamt äußerte sich Thorsten Borda zuversichtlich, dass die neue Weiterbildung ein Erfolgsmodell werden könne. Die unumgängliche Übergangszeit werde jedoch hart. Wichtig sei, gut vorbereitet zu starten und einen Rückstau zu vermeiden. Regionale Kooperationen zwischen Kliniken könnten zu den Lösungen für einen möglichst reibungslosen Start gehören.
Die Perspektive der Ausbildungs- bzw. Weiterbildungsteilnehmenden
Elisabeth Dallüge, Psychologische Psychotherapeutin in Ausbildung (PiA) und Sprecherin der PiA-Vertretung NRW, zeigte in ihrem Referat aus der Perspektive der Ausbildungs- bzw. Weiterbildungsteilnehmenden auf, welche Möglichkeiten sich mit der Ausgestaltung der neuen Weiterbildung auffächern könnten. Als wesentlichen Unterschied zum bisherigen System hob sie die neue, klarere Rollenverteilung hervor. Sie würde für die einzelnen Beteiligten mehr Autonomie und mehr Verantwortung bedeuten.
Elisabeth Dallüge appellierte an die zukünftigen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Weiterbildung, ihre neuen Handlungsspielräume als approbierte Heilberuflerinnen und Heilberufler in Weiterbildung gut zu nutzen. Aktuell sei wichtig, dass die zentralen Fragen wie die offene Finanzierung der Weiterbildung weiterverfolgt würden. Von den Weiterbildungsstätten wünsche sie sich Konzepte, wie die noch Jahre bestehende Koexistenz von Ausbildungs- und Weiterbildungsteilnehmenden gut geregelt werden könne. Ebenso gelte es, möglichst vielen Interessierten die neue Weiterbildung und in der Übergangszeit die bisherige Ausbildung zu ermöglichen. Darüber hinaus sei die Qualitätssicherung eine wesentliche Aufgabe der Weiterbildungsstätten. Die zukünftigen Weiterbildungsbefugten rief Elisabeth Dallüge auf, den regen kollegialen Austausch zu suchen. Auf sie komme ein umfassendes Aufgabenfeld zu. Es sei erstrebenswert, dies weitgehend einheitlich zu gestalten. Auch die Kammer habe als Aufsichtsbehörde und die Prüfungen abnehmende Instanz neue Verantwortungen.
Insgesamt sei es die Aufgabe, das komplexe System der Weiterbildung gemeinsam gut auszugestalten. Damit seien große Herausforderungen verbunden. Sie sei jedoch zuversichtlich, dass ein erfolgreicher Weg beschritten werden könne. Dafür bräuchte es gute Information, viel Netzwerkarbeit und kollegialen Austausch auf verschiedenen Ebenen. Letztlich sei es ihr Herzenswunsch, dass alle Beteiligten die Möglichkeit erhalten, am Entwicklungsprozess mitzuwirken. Dazu gehöre, von Beginn an die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Weiterbildung mit einzubinden.
Vielschichtiger Austausch über Aufgaben und Herausforderungen
Die Teilnehmenden der Fachtagung erörterten im Anschluss an die Vorträge und in einer Plenumsdiskussion in regem Austausch verschiedene Aspekte der neuen Weiterbildung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Krankenhaus und Rehabilitation. Positiv wurde der ausdrücklich vorgesehene Kompetenzerwerb auch im stationären Bereich bewertet. Dies würde den Berufsstand breiter aufstellen und sei auch politisch für die zukünftige Gestaltung der Versorgung von psychisch kranken Menschen zentral. Barbara Lubisch aus dem Vorstand der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen betonte in diesem Zusammenhang, das neue Modell ermögliche zudem mehr Flexibilität bei der Verfahrensorientierung und für den Erwerb eines Zweitverfahrens.
Mit Blick auf die konkrete Umsetzung der Weiterbildung im stationären Bereich wurde mehrfach die Sorge geäußert, ob ausreichend Stellen für die approbierten Studienabsolventinnen und -absolventen entstehen werden. Vorstandsmitglied Hermann Schürmann wies darauf hin, dass die Kliniken mit Versorgungsauftrag durch das Krankenhausgesetz des Landes Nordrein-Westfalen zur Weiterbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten verpflichtet seien. Zudem sei davon auszugehen, dass die Häuser auf die fachliche Kompetenz der approbierten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nicht würden verzichten wollen. Kammerpräsident Gerd Höhner betonte, dass es keine leichte Aufgabe werde, gute Lösungen für die Koexistenz von Ausbildungs- und Weiterbildungsteilnehmenden zu finden. Dies müsse man mit den Krankenhäusern zusammen konstruktiv angehen. Weitere Beiträge thematisierten unter anderem offene Fragen zur Finanzierung, Aufgaben wie Qualitätssicherung und Herausforderungen hinsichtlich der Einbindung der Weiterbildungsbefugten und Weiterbildungsteilnehmenden in den Alltag der Kliniken. Darüber hinaus wurde der Wunsch nach Information geäußert, um die Vorbereitung in den Krankenhäusern voranbringen zu können.
Eine neue Qualität in der Versorgungslandschaft
Gerd Höhner bedankte sich abschließend bei allen Teilnehmenden für die fachlich hochstehenden Beiträge und die rege Diskussion. Der Geschäftsstelle dankte er für die reibungslose Organisation der Veranstaltung. Mit den Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Weiterbildung werde man zukünftig eine neue berufliche Qualität in die Versorgungslandschaft einbringen. Derzeit seien noch viele Fragen zu der konkreten Umsetzung der Weiterbildung offen. Schon bevor alles final geregelt sei, müsse der Berufsstand aber jetzt Fakten schaffen.
Wichtig sei darüber zu sprechen, wie die Kliniken die Weiterbildungsbefugten künftig in ihre Arbeit und Strukturen integrieren, hielt Gerd Höhner fest. Dabei sei nicht außer Acht zu lassen, dass die Häuser abgesehen von einer rechtlichen Verpflichtung auch unter qualitativen Gesichtspunkten Interesse haben würden, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu beschäftigen. Denn die Kostenträger würden bei der Abrechnung den Nachweis verlangen, dass psychotherapeutische Leistungen von entsprechend qualifiziertem Personal erbracht wurden. Aus den bisherigen Gesprächen mit den großen Krankenhausträgern habe der Vorstand mitgenommen, dass die Bedeutung der Profession im Versorgungsprofil der Kliniken gesehen werde. In kleineren Kliniken könnten Kooperationen zwischen Häusern und auch Fachbereichen hilfreich sein. Dies würde zugleich Möglichkeiten eröffnen, psychotherapeutisches Denken und Handeln auch in Einrichtungen wie die somatischen Krankenhäuser einzubringen. Insgesamt müsse der Berufsstand angesichts der Entwicklungen keinesfalls pessimistisch sein. Es sei allerdings noch viel zu tun. Leichter werde der Weg, wenn alle gemeinsam die anstehenden Aufgaben angingen.