Kammerversammlung am 18. Mai 2019 in Düsseldorf
Am 18. Mai 2019 kam die 4. Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) zum letzten Mal in dieser Wahlperiode zusammen. Tagesordnungspunkte waren unter anderem die Reform der Psychotherapeutenausbildung, Empfehlungen zur Dokumentation psychotherapeutischer Behandlungen, der Entwurf für eine Fortbildung „Psychotherapie bei Diabetes“ und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalen Agenda der Bundesregierung.
Verabschiedung von Kammerversammlungsmitgliedern
Zu Beginn des Tages wurden mit Monika Konitzer, Johannes Broil, Dr. Wolfgang Groeger, Markus Körner und Andreas Wilser fünf Kammerversammlungsmitglieder verabschiedet, die sich von Beginn an in der Kammerversammlung engagiert hatten und für eine weitere Amtszeit nicht mehr angetreten waren. „Sie haben die Kammer wesentlich mitgestaltet und geprägt. Ich danke ihnen im Namen aller Kammerversammlungsmitglieder für ihr konsequentes berufspolitisches Engagement“, sagte Kammerpräsident Gerd Höhner. „Ich habe immer gerne und auch dann gut mit ihnen zusammengearbeitet, wenn die Meinungen auseinander gingen. Unterschiedliche Positionen gehören zum Geschäft; die Frage ist, wie man damit umgeht. Diese fünf Kolleginnen und Kollegen haben stets einen guten Weg gefunden und in ihren Wirkkreisen Brücken gebaut. Sie haben viel dazu beitragen, dass die Kammerversammlung zu einer guten Arbeitsform gekommen ist.“
Dank an Monika Konitzer
Insbesondere würdigte Gerd Höhner Monika Konitzer , die von 2001 bis 2014 Präsidentin der PTK NRW war. „Wir haben ihr einen konsequenten und fundierten Aufbau der Kammer zu verdanken. Zu dem kollegialen Miteinander zu finden, in dem unsere berufliche Selbstverwaltung heute arbeitet, ist in gerade einmal 18 Jahren Entwicklungsarbeit eine außerordentliche Leistung, an der sie einen wesentlichen Anteil trägt.“ Monika Konitzer dankte der Kammerversammlung für die Zusammenarbeit und das Vertrauen. Die gute gemeinsame Basis sei ein Gemeinschaftswerk aller Delegierten, die mit Gründung der Kammerversammlung intensiv darum gerungen hätten. Besonders freue es sie, in der Debatte zur Reform der Psychotherapeutenausbildung die mittlerweile deutliche Wertschätzung für den Beruf wahrzunehmen. Für die Zukunft, in der mit der Reform ein enormer Umbau anstünde, wünschte sie allen Delegierten ein gutes Stück des Aufbruchsgeistes und des Bemühens um Verständigung.
Reform der Psychotherapeutenausbildung
Ergänzend zum schriftlichen Vorstandsbericht sprach Gerd Höhner in seinen mündlichen Ausführungen die Reform der Psychotherapeutenausbildung an. „Die Universitäten melden uns zurück, dass der vom Gesundheitsminister vorgesehene Ausbildungsbeginn im Herbst 2020 für sie zu schaffen sei. Gleichzeitig signalisieren sie Interesse an der Zusammenarbeit in der Weiterbildung.“ Bei der Gestaltung der Studiengänge seien unter anderem die Qualifikation der Lehrenden und die Verfahrensvielfalt in Aus- und Weiterbildung zentrale Themen. Für die Kammer stünde die Entwicklung der Weiterbildung als wesentliche Aufgabe an. Hierbei gelte insbesondere die Herausforderung, mit dem Reformprozess eine weitgehend gemeinsame Weiterbildungsstruktur in allen Bundesländern zu erarbeiten. Darüber hinaus betonte der Kammerpräsident das Anliegen, Arbeits- und Kompetenzfelder insbesondere auch außerhalb der Niederlassung zu entwickeln. Als Beispiel für einen Bereich, in dem Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gebraucht würden, nannte er die Jugendhilfe.
Entwicklung der Bedarfsplanung
Ein weiteres Thema auf der Agenda werde die Bedarfsplanung bleiben, hielt Gerd Höhner fest. Man befände sich in einem zähen Prozess und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und ärztliche Gremien würden wenig Interesse an der Ausweitung ambulanter Behandlungsmöglichkeiten signalisieren. „Wir hören die üblichen Argumente wie ‚Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten lasten ihre Praxen nicht aus’ oder ‚Sie behandeln die Falschen’. Fragt man nach, wer „richtige“ Patientinnen und Patienten sein sollen, erhält man jedoch keine vernünftige Antwort, das haben wir nicht zuletzt wieder bei der Debatte zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) gesehen.“ Grundsätzlich würde man zur Bedarfsplanung in der nächsten Zeit erhebliche Diskussionen führen müssen, betonte Gerd Höhner. „Darin müssen wir auch kritisch hinterfragen, ob sich eine allgemeine Bedarfsgröße überhaupt bestimmen und in der konkreten Versorgungssituation umsetzen lässt. Im Ruhrgebiet beispielsweise hilft eine solche Ziffer nicht weiter. Viel eher finden sich brauchbare Zahlen für die ambulante Versorgung vor Ort in den regionalen Planungsgremien.“
In der Aussprache hierzu äußerten sich Kammerversammlungsmitglieder unter anderem zu offenen Fragen im Zusammenhang mit der Reform der Psychotherapeutenausbildung, etwa der Steuerung von Kapazitäten und die Finanzierung der Weiterbildung. Der Geschäftsstelle sprach die Kammerversammlung ihren Dank für eine gute Begleitung bei den Wahlaktivitäten aus.
Neuerungen durch das TSVG
Mögliche Auswirkungen des am 11. Mai 2019 in Kraft getretenen TSVG fasste Vorstandsmitglied Barbara Lubisch zusammen. Eine der Neuerungen sei die Heraufsetzung der wöchentlichen Sprechstundenzahl von 20 auf 25 für Praxen mit vollem Versorgungsauftrag. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) seien nun gefordert, bundeseinheitliche Kriterien für die Einhaltung der Mindestsprechstundenzeit entwickeln. Bei den NRW-KVen seien bisher die Kalkulationszeiten aller abgerechneten Leistungen addiert worden. Der Versorgungsauftrag gelte dann als erfüllt, wenn durchschnittlich mindestens 15 Wochenstunden (bei ganzem Sitz) erbracht worden seien, da davon ausgegangen wird, dass im Praxisalltag auch nicht mit Zeiten hinterlegte Tätigkeiten anfallen, schilderte Barbara Lubisch. Gegebenenfalls können Praxen eine geringere Versorgungsleistung mit dem Verweis auf besondere Lebensumstände begründen. „Die PTK NRW wird sich dafür einsetzen, dass solche Kriterien auch auf Bundesebene akzeptiert werden.“ Insgesamt sei das neue TSVG an einigen Stellen ungenau; vieles müsse noch zwischen KBV und GKV-Spitzenverband nachverhandelt werden.
Dokumentation psychotherapeutischer Leistungen
Die Arbeitsergebnisse der Kommission „Standards der psychotherapeutischen Dokumentation“ stellte Vorstandsmitglied Bernhard Moors vor. Der Vorstand der PTK NRW hatte die Kommission einberufen, nachdem 2013 das Patientenrechtegesetz in Kraft getreten war und damit die fachgerechte Dokumentation als unverzichtbare Grundlage für die Sicherheit der Patientinnen und Patienten normiert wurde. „Mit Empfehlungen für die Dokumentation nicht im Sinne von ‚best practice“, sondern als Mindestanforderungen erfüllt die Kammer ihre Aufgabe als fachlicher Normgeber“, erklärte Bernhard Moors. „Ebenso kommt sie ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Mitgliedern nach, Orientierung für weitgehende Rechtssicherheit zu schaffen.“ Im Folgenden stellte er die von der Kommission erarbeiteten „Empfehlungen zur Dokumentation psychotherapeutischer Behandlungen“ als Zusammenfassung der wesentlichen Punkte für die Basis- und die Verlaufsdokumentation dar. Eine Beschlussfassung wurde von der Kammerversammlung allerdings vertagt.
Curriculare Fortbildung Diabetes
Im November 2018 hatte die Kammerversammlung intensiv den Antrag des Vorstands diskutiert, den Ausschuss Fort- und Weiterbildung mit dem Entwurf einer Weiterbildung „Spezielle Psychotherapie bei Diabetes“ zu beauftragen. Die Mehrheit der Mitglieder hatte schließlich dafür votiert, den Ausschuss zunächst mit dem Entwurf einer curricularen Fortbildung „Psychotherapie bei Diabetes“ zu beauftragen, deren Inhalte im Rahmen einer gegebenenfalls später einzuführenden Weiterbildung „Spezielle Psychotherapie bei Diabetes“ anerkennungsfähig einfließen können. Die Ausschussvorsitzende Anni Michelmann erklärte, man sei dieser Aufgabe nachgekommen und habe sich dabei an der Musterweiterbildungsordnung für Spezielle Psychotherapie bei Diabetes orientiert. Dem Antrag des Ausschusses, der Vorstand möge prüfen, wie auf der Basis des erarbeiteten Entwurfs nun Fortbildungen durchgeführt werden könnten, stimmte die Kammerversammlung mit großer Mehrheit zu.
Beschlussfassung zu Resolutionen
In ihrer letzten Sitzung in dieser Wahlperiode verabschiedete die 4. Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) die sechs Resolutionen „Gesetz zur Ausbildungsreform sachgerecht gestalten und ergänzen“, „Bedarfsplanung sachgerecht weiter entwickeln!“, „G-BA Entscheidungen transparenter machen“, „Chancen von Digitalisierung nutzen – Datenschutz stärken – mehr Unterstützung statt neuer Strafandrohungen!“, „Kinderrechte gehören ins Grundgesetz!“ und „Änderung des Einschulungs-Stichtags in NRW vom 30. September auf den 30. Juni“.
Digitalisierung im Gesundheitswesen
Zentrale Aspekte zur Digitalen Agenda fasste Barbara Lubisch zusammen. Konflikte bei der Telematik-Infrastruktur (TI) beträfen vornehmlich die Sicherheit der Daten, die Frage nach der Haftung von Praxisinhaberinnen und Praxisinhabern, fachliche Fehler bei der Installation der Konnektoren und unzureichende finanzielle Entlastungen für die Kosten zur Anbindung an die TI. Darüber hinaus müsse man sehen, dass nur wenige Anwendungen für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wirklich sinnvoll seien. Auf der anderen Seite biete die TI die derzeit bestverfügbarste Sicherheit für den Versand elektronischer Daten. Zudem ginge es auch darum, die Profession nicht aus der Kommunikation im Gesundheitswesen auszuschließen.
Hinsichtlich der mit dem TSVG festgelegten Verpflichtung für die Krankenkassen, ihren Versicherten bis 2021 eine elektronische Patientenakte (ePA) anzubieten, poche die PTK NRW auf die freiwillige Nutzung der Akte, betonte Barbara Lubisch. „Schweigepflicht und Patientenrechte müssen weiterhin gelten, eine verpflichtende Sammlung von Gesundheitsdaten in einer elektronischen Patientenakte lehnen wir ab.“ Bei digitalen Anwendungen wie Gesundheits-Apps, die das Digitale Versorgung-Gesetz vorsieht, sei noch vieles ungeklärt, so Barbara Lubisch weiter. Mit „Handelt es sich um zertifizierte Medizinprodukte? Sind sie verordnungsfähig? Wenn ja: Wer darf sie wann verordnen?“ gab sie Beispiele für offene Fragen. Auch wenn von „Online-Therapie“ die Rede ist, müsse man genau hinschauen, ob transparent wird, wer die Leistung durchführt. „Das ist wichtig im Sinne der Patientensicherheit, aber zum Beispiel auch bei der Frage, inwieweit die Kammer die Berufsaufsicht durchführen kann.“
Gutachten zur Humanistischen Psychotherapie
Abschließend tauschte sich die Kammerversammlung zu dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie (WBP) aus, in dem er die Humanistische Psychotherapie, zu der auch die Gesprächstherapie gehört, nicht als wissenschaftlich anerkanntes Psychotherapieverfahren anerkennt. In der Aussprache wurde darauf hingewiesen, dass man sich grundsätzlich mit dem Wissenschaftsbegriff und der Frage befassen müsse, inwieweit der empirisch-wissenschaftliche Kriterienkatalog ausreiche. Als wichtiges Anliegen wurde Methodenvielfalt an den Universitäten gefordert. Die Reform der Psychotherapeutenausbildung könne hier eine Chance sein. Zudem sei – so wie auch im Zuge der Ausbildungsreform – die Besetzung des WBP zu diskutieren.
Abschluss einer konstruktiven Amtsperiode
Zum Ende der letzten Sitzung in dieser Amtsperiode dankte Gerd Höhner seinen Vorstandskolleginnen und -kollegen für den konstruktiven Arbeitsprozess und eine Arbeitsteilung im hohen gegenseitigen Vertrauen. Er bedauerte die Entscheidung von Mechthild Greive, nicht mehr im Vorstand tätig zu sein. Weitere Anerkennung sprach der Kammerpräsident der Geschäftsstelle aus. „Die Kammer ist an dieser Stelle sehr gut aufgestellt, um die intern anstehenden Themen in der nächsten Wahlperiode in Angriff zu nehmen.“ Schließlich dankte er allen Mitgliedern der Kammerversammlung für den angenehmen Umgang miteinander. „Er hat ein hohes Maß an qualitativ guter Arbeit ermöglicht. Auch aus den Ausschüssen, in denen viele Interessen unter einen Hut zu bringen waren, wurden uns gute Arbeitsergebnisse zurückgemeldet.“