Kammerversammlung am 25. Mai 2013

Am 25. Mai 2013 beriet die Kammerversammlung der nordrhein-westfälischen Psychotherapeuten unter anderem die Krankenhausplanung 2015 in NRW, die Ergebnisse der BPtK-Angestelltenbefragung, den Rohentwurf einer einkommensabhängigen Beitragsordnung, die Standards zur Begutachtung von Flüchtlingen und die Reform der Psychotherapeutenausbildung.

Krankenhausplanung 2015 in NRW

Im Bericht des Vorstands erläuterte Präsidentin Monika Konitzer den Stand der Krankenhausplanung 2015 in NRW. Ein neuer Krankenhausplan sei erforderlich, da der derzeit gültige Plan noch aus dem Jahr 2001 stamme. Die Psychotherapeutenkammer NRW habe anlässlich der Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss des Landtages am 7. März eine ausführliche schriftliche Stellungnahme abgegeben. Bisher gehöre die Kammer nicht zu den Organisationen, die an der Krankenhausplanung zu beteiligen seien. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlange jedoch, die Psychotherapeutenkammer wie die Ärztekammern zu berücksichtigen. Angesichts der anstehenden Strukturreformen in der stationären Versorgung psychisch Kranker halte die Kammer eine Beteiligung an der Krankenhausplanung für überfällig und notwendig. Wesentliche Punkte der Stellungnahme der PTK NRW seien:

  • Psychologische Psychotherapeuten (PP) und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) sind für die leitliniengerechte und qualitativ hochwertige Versorgung – auch im Krankenhaus – unverzichtbar.
  • Die Vorgaben im Krankenhausplan berücksichtigen die Bedeutung der PP und KJP für eine bedarfsgerechte, integrative, multiprofessionelle, sektorenübergreifende Versorgung nicht ausreichend.
  • Eine zukunftsfähige, integrative Krankenhausplanung erfordert eine strukturelle Verankerung der multiprofessionellen Kooperation im Krankenhaus, d. h. auch eine strukturelle Verankerung der Berufsgruppen der PP und KJP.
  • Multiprofessionalität ist zum Nutzen der Patientinnen und Patienten notwendig, daher muss neben ärztlicher Weiterbildung auch die Aus- und Weiterbildung der PP und KJP in der Krankenhausplanung abgesichert werden.
  • Entsprechend sollte auch die Bezeichnung der Erkrankungen sprachlich überarbeitet werden, auch diese sollten nicht weiterhin aus den ärztlichen Gebietsbezeichnungen abgeleitet werden.

Dr. Jörg Lafontaine vom NRW-Gesundheitsministerium erklärte die Grundsätze der Krankenhausplanung aus der Sicht seines Hauses. Das Gesundheitsministerium stelle nach § 12 Krankenhausgestaltungsgesetz den Krankenhausplan auf und schreibe ihn fort. Dieser beschreibe den Stand und die Entwicklung der Krankenhäuser und Ausbildungsstätten, die für eine ortsnahe, bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger erforderlich seien. Er bestehe aus den Rahmenvorgaben und den regionalen Planungskonzepten. Die Rahmenvorgaben enthielten die Planungsgrundsätze und Vorgaben für die aufeinander abgestimmten Versorgungsangebote nach ihrer regionalen Verteilung, Art, Zahl und Qualität. Die Leitung einer Abteilung muss den Facharztstandard haben, die Stellvertretung soll diesen haben und eine dritte Person mit Facharztstandard ist erforderlich.

In Psychiatrie und Psychosomatik ist ein bedarfsgerechter Ausbau der Versorgungskapazitäten vorgesehen (von 16.041 (Soll 2010) auf 18.344 im Jahr 2015), so Lafontaine. Ein weiteres Ziel sei ein integratives Versorgungsangebot von Psychiatrie und Psychosomatik. Eine gemeinsame Planung und Vorhaltung der Versorgungskapazitäten sei wegen der engen Verbindung beider Bereiche zur Somatik und Überschneidungen bei den zu behandelnden Krankheiten sachgerecht. Ein gemeinsam verantwortetes Versorgungsangebot trage auch zur Sicherung und Verbesserung der Qualität der Versorgung von psychisch und psychosomatisch Kranken bei.

Das Ministerium habe Anregungen der PTK NRW in das Konzept übernommen. Der Hinweis auf die fehlende Definition von „schwer psychisch und psychosomatisch Kranken“ solle aufgegriffen und klarstellend durch die Formulierung „psychisch und psychosomatisch Kranke mit komplexem Hilfebedarf“ ersetzt werden. Des Weiteren solle die Notwendigkeit des engen Zusammenwirkens aller an der Versorgung Betroffener beteiligten Berufsgruppen stärker herausgestellt werden.

In der anschließenden Diskussion äußerten zahlreiche Mitglieder der Kammerversammlung Kritik daran, dass die Psychotherapeutenkammer nicht zu den „Beteiligten“ der Krankenhausplanung (§ 15 Krankenhausgestaltungsgesetz) gehöre, wohl aber die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe. Außerdem müsste eine Lösung dafür gefunden werden, dass auch mit der Approbation als PP und KJP eine Leitungsfunktion möglich sei, da diese dem Facharztstandard entspreche. Im ambulanten Bereich sei mit dem Psychotherapeutengesetz von 1999 bereits eine Gleichstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Heilberufe erfolgt. Außerdem vermissten Mitglieder der Kammerversammlung im Krankenhausplan 2015 Aussagen zur psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung. Insbesondere sei Weiterbildung in klinischer Neuropsychologie ausdrücklich zu berücksichtigen.

BPtK-Angestelltenbefragung

Hans Dieter Nolting, Geschäftsführer des IGES-Instituts in Berlin, stellte die Ergebnisse der BPtK-Angestelltenbefragung vom 18. Februar bis einschließlich 25. März 2013 vor. Dabei präsentierte er insbesondere die Ergebnisse für NRW.

In NRW hätten von rund 3.500 Befragten knapp 1.000 geantwortet, was einer Rücklaufquote von fast 30 Prozent entspreche. Danach seien rund 70 Prozent der angestellten Psychotherapeuten in NRW als PP und knapp 25 Prozent als KJP approbiert. Circa 40 Prozent arbeiteten in einem Krankenhaus. Männer seien zu über 70 Prozent vollzeitbeschäftigt, Frauen nur zu knapp 40 Prozent. Die Mehrheit der angestellten Psychotherapeuten (56,6 %) sei als Diplom-Psychologe/in eingestellt, bei etwa jedem Dritten (29,1 %) stehe die Approbation als PP oder KJP im Arbeitsvertrag. Fast die Hälfte der PP erzielten ein Brutto-Jahreseinkommen von über 60.000 Euro, von den KJP aber nur rund 15 Prozent.

Einkommensabhängige Beitragsordnung

Vize-Präsident Hermann Schürmann stellte den Rohentwurf für einen einkommensabhängigen Beitragssatz vor. Der bisherige einheitliche Regelsatz von 350 Euro habe zu zahlreichen Beschwerden von Kammermitgliedern mit niedrigem Einkommen geführt. Außerdem gebe es zahlreiche Rückgaben der Approbation aus finanziellen Gründen. Deshalb sei der Vorstand von der Kammerversammlung beauftragt worden, mehrere Modelle einer Beitragstabelle zu berechnen, die Berechnungen seien den Mitgliedern der Kammerversammlung zugegangen. Der Vorstand schlage nun ein Modell vor, bei dem alle Mitglieder der PTK NRW den gleichen Prozentsatz vom Einkommen („Hebesatz“) als Beitrag zahlen. Mit der neuen Beitragsordnung sollten keine höheren Einnahmen erzielt werden als mit der bisherigen.

Beim Einkommen werde allein auf die Einkünfte aus psychotherapeutischer Tätigkeit abgestellt. Einkünfte aus psychotherapeutischer Tätigkeit bis zu 10.000 EUR blieben beitragsfrei. Es werde ein Höchstbeitrag für Einkünfte über 100.000 EUR festgesetzt. Die Grundlage der Beitragsveranlagung sei das vorvergangene Jahr. Bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit (z. B. Praxisgewinn) würden pauschal 20 % abgezogen, entsprechend dem Arbeitgeberanteil bei Angestellten. Jeder Kammerangehörige erhalte Anfang des Kalenderjahres die Aufforderung, sich hinsichtlich der Beitragshöhe anhand der Beitragstabelle selbst einzustufen und dies der Kammer bis zum 1. März des Jahres mitzuteilen. Die Selbsteinstufungen der Kammerangehörigen würden stichprobenweise oder bei begründetem Verdacht überprüft.

Die Konsequenzen einer einkommensabhängigen Beitragsordnung seien, so Schürmann:

  • Kammerangehörige, die aufgrund familiärer Verpflichtungen weniger arbeiten können, würden entlastet.
  • Niedergelassene, die geringe Einkünfte aus psychotherapeutischer Tätigkeit erzielen (z. B. bei Privatpraxis, Existenzgründung, bei hälftigem Versorgungsauftrag) würden entlastet.
  • Kammerangehörige, die im geringen Umfang selbständig zum Rentenbezug hinzuverdienen, müssten keinen bzw. nur einen geringen Kammerbeitrag zahlen.
  • Kammerangehörige, die im geringen Umfang selbständig zu einer angestellten/beamteten Teilzeittätigkeit hinzuverdienen, würden je nach Höhe der Einkünfte entlastet.
  • Kammerangehörige mit höherem Einkommen würden stärker belastet.

In der anschließenden Beratung diskutierten die Mitglieder der Kammerversammlung kontrovers. Themen waren unter anderem, ob der Arbeitsaufwand für eine einkommensabhängige Beitragsordnung für die Geschäftsstelle, aber auch für die Mitglieder nicht höher sei als der Aufwand für einen einheitlichen Regelbeitrag, ob der Höchstbetrag nicht höher als bisher geplant sein müsse, um auch Mitglieder mit einem sehr hohem Einkommen angemessen zu beteiligen, und ob Kinderfreibeträge zu berücksichtigen seien. Mehrere Mitglieder betonten, dass sie einen einheitlichen Beitragssatz für jüngere Kolleginnen und Kollegen für ungerecht halten und ein Regelsatz von 350 Euro für diese zu hoch sei.

Die Beratungen zur Beitragsordnung werden auf der Kammerversammlung im Dezember fortgesetzt.

Begutachtung von Flüchtlingen

Eva van Keuk vom Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf berichtete über die Standards zur Begutachtung von Asylsuchenden. Mehr als ein Drittel der Asylsuchenden leide an psychischen Traumafolgestörungen. Die Folgen beeinträchtigten die Fähigkeit zur verbalen, widerspruchsfreien, detailreichen Darstellung der Asylgründe, wie es das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1. Instanz) und das Verwaltungsgericht (2. Instanz) verlange. Nach einem NRW-Erlass aus dem Jahr 2012 habe eine Abschiebung zu unterbleiben, wenn sich durch den Abschiebevorgang eine psychische Erkrankung (wieder) verschlimmere und nicht nur, wenn eine lebensbedrohliche Gefährdung durch Suizidgefahr bestehe. Eine Begutachtung am Tag der Abschiebung durch Notfallmediziner sei nicht ausreichend, eine Abklärung müsse im Vorfeld erfolgen.

Die Mindeststandards für die Begutachtung habe das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 genannt. Danach solle ein Attest enthalten:

  • Grundlage der Diagnosestellung,
  • Angaben über Behandlung, Beschwerden, Objektivierung der Beschwerden durch Befunde,
  • Angaben über Schwere der Erkrankung, Behandlungsbedürftigkeit, bisherige Therapie,
  • falls PTBS und falls nicht beim Erstantrag vorgetragen: Begründung, wieso Erkrankung nicht zuvor angegeben wurde.

Abschließend verabschiedete die Kammerversammlung aktualisierte Anforderungskriterien, um in die Sachverständigenliste der PTK NRW aufgenommen zu werden.

Reform der Psychotherapeutenausbildung

Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Groeger stellte den aktuellen Stand der Ausbildungsdiskussion dar. In den vergangenen sieben Jahren sei vieles in Frage gestellt worden, aber auch vieles unhinterfragt geblieben. In Frage gestellt worden sei vor allem:

  • der unterschiedliche Zugang zur Ausbildung von PP und KJP (Bachelor - Master),
  • die postgraduale Ausbildungsstruktur mit dem Modell der Direktausbildung,
  • der gleichzeitige Approbations- und Fachkunde-Erwerb,
  • die unwürdigen Bedingungen der praktischen Tätigkeit,
  • die fachlich unsinnige Aufsplitterung in zwei Berufe.

Meilensteine seien die Beschlüsse des 16. DPT im Mai 2010 und die daraus resultierenden Entwürfe einer Approbationsordnung und eines novellierten Psychotherapeutengesetzes gewesen. Seitdem sei das Bundesgesundheitsministerium (BMG) untätig gewesen, obwohl Minister Daniel Bahr auf dem 19. DPT im November 2011 die Zusage gegeben habe, noch in dieser Legislaturperiode eine umfassende Novellierung des Psychotherapeutengesetzes „auf den Weg zu bringen“. Im Spätsommer 2012 hätten die Länder die Diskussion in einer Bund-Länder-AG aufgegriffen. Im November 2012 habe Dr. Volker Grigutsch auf dem 21. DPT in Düsseldorf den Stand der Diskussion aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums dargestellt – mit der Botschaft: Erst müsse das Ziel bestimmt werden, ehe die Reform vorankommen könne.

Bislang sei die Profession davon ausgegangen, dass niedergelassene Psychotherapeuten ausgebildet würden, die nach der Psychotherapie-Richtlinie arbeiteten. Seit dem Start der Bund-Länder-AG und dem Vortrag von Dr. Grigutsch sei aber klar, dass das BMG diese Prämisse nicht teile. In der Logik dieser Herangehensweise seien die Hauptfragen:

  1. Welche Aufgaben sollen Psychotherapeuten in Zukunft in der Gesundheitsversorgung übernehmen?
  2. Welche Lernziele leiten sich daraus ab und welche Kompetenzen sind dafür erforderlich?
  3. Erst zuletzt: Wie können die erforderlichen Kompetenzen vermittelt werden?

Der 22. DPT habe deshalb im Mai 2013 seine bisherigen Beschlüsse relativiert und den BPtK-Vorstand und Länderrat beauftragt, ein Kompetenzprofil für Psychotherapeuten zu entwickeln. Der Entwurf eines zukünftigen Berufsbildes, aus dem das Kompetenzprofil abzuleiten sei, liege bereits vor. Dabei bedeute „zukünftig“ eine Perspektive auf die 30er Jahre. Vorher würde kaum eine Reform verabschiedet, würden kaum Studiengänge und Weiterbildungsgänge eingerichtet sein und erste Absolventen die Ausbildung abgeschlossen haben. Nach allen vorliegenden Daten werde es bis dahin kaum noch Fachärzte geben, die die Gesundheitsversorgung bei psychischen Störungen sicherstellen könnten. Die Psychotherapeuten seien daher vor allem gefragt, ob sie in Zukunft die „Grundversorgung“ bei psychischen Störungen übernehmen wollen. Fachkunde meine dann mehr und anderes als jetzt. Es ginge nicht „nur“ um Fachkunde in einem wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren, sondern darüber hinaus in der grundständigen Versorgung der Bevölkerung bei psychischen Störungen.

Wolfgang-Friedrich Schneider berichtete für die Kommission Ausbildung über den Stand der Diskussion. Er interpretierte den Begriff der Direktausbildung als „direkt vom Bund geregelt“. Mit dieser Auffassung vereinbar sei auch eine „duale Direktausbildung“ mit zwei eigenständigen Staatsprüfungen und einer vertieften verfahrensbezogenen Schwerpunktausbildung zwischen der ersten und zweiten Staatsprüfung. Eine solche „duale Direktausbildung“ schließe entweder ab mit einer einheitlichen Approbation als „Psychotherapeut“ oder, je nach Wahl des Schwerpunkts in der vertieften Ausbildung, als “Erwachsenenpsychotherapeut“ oder “Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut“. Sie sichere die Kohärenz der Ausbildung und die Beibehaltung der Vergütung der praktischen Ausbildung über die Ermächtigung der Ausbildungsambulanzen gem. § 117 Abs. 2 SGB V. Eine angemessene Vergütung für die praktische Tätigkeit ließe sich im 2. Ausbildungsabschnitt aufgrund des 1. Staatsexamens mit einem bundesgesetzlichen Anspruch auf „angemessene Vergütung“ erreichen.

Das Thema soll in einer eigenen Veranstaltung vertieft weiter beraten werden.

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