Keine Beschneidung der Therapiehoheit zu Lasten von Patientinnen und Patienten!
Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung [externer Link] (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz, GVWG) sollen Leistungen für Versicherte verbessert werden. Ein kurzfristig eingebrachter Änderungsantrag sieht nun jedoch vor: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) möge prüfen, wie die psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen orientiert am Schweregrad der Erkrankung bedarfsgerecht sichergestellt werden könne. Je nach Prüferergebnis soll gegebenenfalls die Psychotherapie-Richtlinie geändert werden.
Die Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) lehnt diese geplante Änderung im GVWG strikt ab; einer angemessenen psychotherapeutischen Versorgung steht sie diametral entgegen. Anstelle von individueller Diagnose, Indikationsstellung und Behandlung würde damit künftig entlang grober Raster festgelegt werden, wie schwer Patientinnen und Patienten erkrankt sein müssen, um eine Behandlung zu erhalten und wie viele Therapiestunden ihre Behandlung umfassen darf. Eine solche Änderung würde das Ende einer qualitativ hochwertigen, am individuellen Bedarf orientierten Behandlung bedeuten und behandlungsbedürftige Patientinnen und Patienten ausgrenzen. Nicht zuletzt würde eine Art ‚Triage“ und Priorisierung in die psychotherapeutische Versorgung eingeführt, die aus guten fachlichen und ethischen Gründen nicht vorgesehen ist.
Ihre scharfe Kritik an dem Änderungsantrag hat die PTK NRW in einem Schreiben an das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium (MAGS) und an weitere Ansprechpersonen in der Gesundheitspolitik auf Landes- und Bundesebene deutlich gemacht. „Ob, wie intensiv und wie lange eine Behandlung erforderlich ist, legen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nach sorgfältiger Diagnostik und unter Berücksichtigung des bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlaufs gemeinsam mit ihren Patientinnen und Patienten fest“, betont die Kammer in ihrem Schreiben. „Die Behandlung erfolgt so lange und so intensiv, wie es notwendig ist, um die psychische Gesundheit wieder herzustellen oder das Leiden zu lindern. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten berücksichtigen dabei selbstverständlich den Schweregrad der Erkrankung und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen. Aktuelle Abrechnungsdaten zeigen, dass sie verantwortungsvoll mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen umgehen. Einer weiteren Regulierung bedarf es deshalb ausdrücklich nicht.“
Die PTK NRW ist darüber hinaus irritiert über die Kurzfristigkeit, mit der der Änderungsantrag in das bereits fortgeschrittene Gesetzgebungsverfahren zum GVWG eingebracht wurde. Weder wurde die Expertise der Profession berücksichtigt noch erhielt der Berufsstand die Möglichkeit einer Stellungnahme. „Unserer Ansicht nach ist das eine ausgesprochen problematische gesundheitspolitische Vorgehensweise, die eine fundierte Beratung über die Auswirkungen der geplanten Änderungen auf die Versorgung verhindert. Dies kann nicht Ausdruck einer seriösen und auf Integrität ausgerichteten Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung in Deutschland sein.“ Insofern begrüßt die PTK NRW die zwischenzeitlich erfolgte Verschiebung von Beratung und Beschlussfassung in den zuständigen Gremien und appelliert an alle Beteiligten, den Änderungsvorschlag abzulehnen.
Siehe zu dem kurzfristig eingebrachten Änderungsantrag auch die Pressemeldung „Keine Raster-Behandlung in der Psychotherapie“ [externer Link] der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Zu diesem Thema wurde auch eine Petition „Keine #Rasterpsychotherapie, Herr Spahn!“ [externer Link] auf der Plattform change.org gestartet. Der Initiator Uwe Hauck, Mitglied der Deutschen DepressionsLiga (DDL), fordert darin die Streichung des Änderungsantrags zum Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz.