Kritik am TSVG reißt nicht ab – Petition erfolgreich
Das von der Bundesregierung geplante Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) soll dazu führen, dass gesetzlich krankenversicherte Patientinnen und Patienten schneller einen Termin für eine Psychotherapie erhalten. Die in dem Entwurf vorgesehene „gestufte und gesteuerte Versorgung für die psychotherapeutische Behandlung“ (Artikel 1 Nummer 51b zu § 92 SGB V Abs. 6a) stößt jedoch weitläufig auf deutliche Kritik.
Überflüssige und diskriminierende Regelung
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hält den kurzfristig in den Gesetzesentwurf eingefügten Passus schlichtweg für überflüssig. Eine nach Dringlichkeit und Schwere gestufte und gesteuerte Versorgung von psychisch kranken Menschen sei durch die im April 2017 eingeführte und seit April 2018 verpflichtende psychotherapeutische Sprechstunde längst Realität. Das Problem, das so gelöst werden soll, gibt es tatsächlich nicht. Die Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) nutzt alle Einflussmöglichkeiten, um darauf hinzuwirken, die vorgesehene „gestufte und gesteuerte Versorgung“ im Gesetzesentwurf ersatzlos zu streichen. Nicht zuletzt würden mit einer solchen Regelung psychisch kranke Menschen diskriminiert, da der Zugang zu einer psychotherapeutischen Behandlung erschwert werde, es zu längeren Versorgungswegen komme und Betroffene in einer sie ohnehin belastenden Situation gleich an mehreren Stellen ihr psychisches Leid offenbaren müssten. Im Übrigen stellt sich hier auch die Frage, wer diese Bewertung vornehmen sollte, wenn es nicht die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychologischen Psychotherapeuten und die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sind? Auf diese Aspekte weist der Vorstand auch in seinen Gesprächen mit Medienvertreterinnen und Medienvertretern hin, die sich derzeit bei der Kammer zu diesem Thema melden. Zu den weiteren Kritikern der geplanten Regelung gehören die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und Kassenärztliche Vereinigungen. Der Bundesrat sprach sich bereits im November gegen den entsprechenden Passus im TSVG-Entwurf aus.
Erfolgreiche Petition der Psychotherapeutenverbände
Mittlerweile war auch eine gemeinsame Petition des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten, der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung und der Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erfolgreich. Bereits weit vor Ende vierwöchigen Zeichnungsfrist am 13. Dezember 2018 erreichte sie mit über 50.000 Unterschriften das Quorum, insgesamt wurde die Petition von über 200.000 Menschen gezeichnet. Die Antragsteller erhalten damit die Gelegenheit, ihr Anliegen und ihre Argumente am 14. Januar 2019 im Petitionsausschuss des Bundestages vorzubringen.
Gesundheitsminister Spahn kündigt Gespräche für Januar an
Bei der ersten Beratung über den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf für das TSVG am 13. Dezember 2018 im Bundestag kritisierte auch die Opposition vehement die vorgesehene Stufenregelung für die Psychotherapie und forderte die Streichung des entsprechenden Passus. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zeigte sich angesichts der seit Wochen geäußerten öffentlichen Kritik irritiert und forderte eine sachliche Auseinandersetzung. Ihm sei sehr bewusst, was eine psychische Erkrankung für Patienten und ihr Umfeld bedeute und wie problematisch es sei, nicht schnell eine angemessene Versorgung zu finden. Er fügte hinzu, er sei offen für womöglich bessere Regelungen, wenn sie in der parlamentarischen Beratung gefunden würden. Im Januar soll es zu Gesprächen kommen, bei denen Vertreter aller Positionen an einem Tisch sitzen.
Reform der Bedarfsplanung bleibt eine zentrale Aufgabe
Die aktuelle Debatte ändere allerdings nichts daran, dass psychisch Kranke nach einem ersten Gespräch weiterhin monatelang und damit eindeutig zu lange auf einen freien Therapieplatz warten müssten, betonen Vertreterinnen und Vertreter der Psychotherapeutenschaft. Gerd Höhner, Präsident der PTK NRW, hält fest. „Es bleibt eine dringende Aufgabe, die Reform der Bedarfsplanung voranzutreiben und mit Blick auf eine adäquate Versorgung psychisch kranker Menschen dafür zu sorgen, dass sich in Regionen außerhalb der Großstädte in Zukunft mehr Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten niederlassen dürfen.“