Landesgesundheitskonferenz NRW will Patientenselbstbestimmung fördern
„Gesundheitsversorgung umfassend verbessern: Selbstbestimmung von Patientinnen und Patienten stärken“, so lautet das Thema der Entschließung der 24. Landesgesundheitskonferenz NRW, die von den Mitgliedern am 26. November 2015 im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf einstimmig angenommen wurde.
Der Ruf nach einer Orientierung der gesundheitlichen Versorgung an den Interessen von Patientinnen und Patienten ist seit den 1990er Jahren zunehmend lauter geworden. Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens, Vorsitzende der Landesgesundheitskonferenz NRW, verwies darauf, dass auch Studien bestätigen: Patientinnen und Patienten möchten eingebunden sein – und Motivation und Therapietreue sind wesentliche Voraussetzungen für den Therapieerfolg. Verbunden mit einer stärkeren Patientenorientierung ist die Vorstellung, die Versorgung der Betroffenen durch mehr Unterstützung, Partizipation, Information, Integration und Selbstverantwortung stärker an ihren Bedürfnissen auszurichten. Es gilt, Wünsche und subjektive Qualitätsvorstellungen von Patientinnen und Patienten besser zu berücksichtigen und Fehlentwicklungen im Gesundheitssystem zu korrigieren.
In den vergangenen Jahren sind Patientinnen und Patienten bereits mehr und mehr zu aktiven Partnerinnen und Partnern in der Gesundheitsversorgung geworden. Allerdings wächst auch die Zahl derer, die aufgrund von Aspekten wie Alter, Multimorbidität oder Sprach- und Kulturbarrieren vom Ideal des selbstbestimmten und informierten Patienten abweichen und die entsprechend mehr Begleitung im System benötigen. Diese zum Teil sehr unterschiedlichen Bedarfe in den Blick zu nehmen, ist ein wesentlicher Bestandteil einer patientenorientierten Versorgung. Als positive Prozesse auf politischer Ebene hob Ministerin Barbara Steffens auf Bundesebene die Etablierung eines Patientenbeauftragten und das 2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz hervor sowie für NRW die 2012 eingerichtete Position des Patientenbeauftragten und die im Aufbau begriffene Koordinierungsstelle für Patientenbeteiligung.
Begegnung auf Augenhöhe ermöglichen
Voraussetzung dafür, dass Patientinnen und Patienten Einfluss auf das Spektrum der Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung nehmen können, sei „dass die Beziehung zwischen therapeutisch Tätigen und Patientinnen und Patienten trotz der unterschiedlichen Voraussetzungen bezüglich Wissensstand, Erfahrungen und Betroffenheit als Verhältnis auf Augenhöhe gestaltet wird, bei dem die Patientinnen und Patienten Raum und Zeit haben, ihre Anliegen zu schildern, Fragen zu stellen, Antworten gemeinsam abzuwägen und Einfluss zu nehmen“, so die Entschließung. Übergeordnetes Ziel sei, durch „starke“ Patientinnen und Patienten eine Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung zu erreichen.
Als weiteren wesentlichen Aspekt führt die Entschließung die Förderung einer patientenorientierten Arbeitsweise von Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern und Kostenträgerinnen und Kostenträgern in der Interaktion mit Patientinnen und Patienten an. „Patientenbeteiligung trägt dazu bei, dass Rechte, Anliegen und Wünsche von Patientinnen und Patienten in den Versorgungsalltag gehört und in den Behandlungsprozess eingebracht werden können. Instrumente der Information, Teilhabe, Kommunikation und Mitsprache sowie Dialog und Austausch sind hier zum gegenseitigen Nutzen erforderlich. Für Patientinnen und Patienten sind Qualität, Zugänglichkeit und Transparenz der gesundheitlichen Versorgung ebenso von entscheidender Bedeutung.“
Prozesse auf allen Ebenen anstoßen
Damit es allen Patientinnen und Patienten unabhängig von ihrer Bildung und Herkunft möglich wird, eine informierte Entscheidung zu treffen und selbstbestimmt zu handeln, will die Entschließung Veränderungen auf drei Ebenen in Gang setzen: Auf der Mikroebene im direkten Kontakt zwischen den Ärztinnen und Ärzten und Therapeutinnen und Therapeuten auf der einen Seite und Patientinnen und Patienten auf der anderen, auf der Mesoebene zwischen den Institutionen im Gesundheitswesen und auf der Makroebene der gesellschaftspolitischen Entscheidungen. Ministerin Barbara Steffens hob in der Aussprache die Weiterentwicklung eines patientenorientierten Gesundheitswesens in Nordrhein-Westfalen deutlich als eine wichtige Gemeinschaftsaufgabe aller Akteure hervor. NRW-Patientenvertreter Dirk Meyer forderte dazu auf, Patienten in ihrer Vielfalt zu sehen und ihre unterschiedlichen Kompetenzen zu schätzen und wahrzunehmen – auch mit Blick auf gesundheitlich vulnerable Gruppen, Kinder und Jugendliche oder Flüchtlinge beispielsweise.
Die Landesgesundheitskonferenz NRW setzt sich mit ihrer Entschließung dafür ein, dass im Gesundheitswesen auf allen Ebenen Rahmenbedingungen entstehen, die Patientinnen und Patienten zu einer aktiven Teilnahme an der gesundheitlichen Versorgung befähigen. Basierend auf dem Selbstverständnis der LGK verpflichten sich ihre Mitglieder, die erarbeiteten Handlungsempfehlungen gemeinsam aktiv umzusetzen.
Über Psychotherapie aufklären
Als eine der zentralen Aufgaben der Psychotherapeutenkammer NRW in diesem Kontext definiert Präsident Gerd Höhner eine gehaltvolle und wirksame Öffentlichkeitarbeit seitens der Kammer. „Wir müssen über unser Fach informieren und aufzeigen, was Psychotherapie ist, was sie leisten kann, auch was sie nicht leisten kann, und wer qualifizierte Anbieter sind. Ich meine damit nicht Werbung, sondern Aufklärung. Informierte Menschen können Leistungen nachfragen. Wer nicht informiert ist, kann das nicht.“
Im Rahmen des Therapeuten-Patienten-Verhältnis sei es die Aufgabe von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, von Beginn an ein möglichst für die Autonomie des Anderen achtendes und förderndes Setting anzubieten und die Beziehung so zu gestalten, dass der Patient im Sinne seiner Selbstbestimmung respektiert wird. „Wenn wir von Patientenbeteiligung sprechen, müssen wir zudem darüber reden, dass Patienten ein Recht auf Aufklärung über Psychotherapie, das Handeln des Therapeuten, Diagnostik und Indikationsstellung haben und es entsprechend die Aufgabe der Therapeuten ist, Patienten zu informieren und ihnen ihre fachliche Leistung transparent zu machen“, erklärt Gerd Höhner. „Für all das schaffen die probatorischen Sitzungen Raum. Allerdings muss dafür ausreichend Zeit zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für ein Konzept einer psychotherapeutischen Sprechstunde. Eine solche Sprechstunde auf zwei Einheiten von 50 Minuten zu reduzieren, würde die Erfordernisse für eine selbstbestimmte Beteiligung von Patienten schlichtweg unterlaufen.“
Asylsuchende Menschen gesundheitlich versorgen
Die Landesgesundheitskonferenz traf am 26. November 2015 eine weitere einstimmige Entscheidung: Die Aussprache der Mitglieder zu der gesundheitlichen Versorgung asylsuchender Menschen mündete in den Beschluss, diese Aufgabe als kommendes Schwerpunktthema festzulegen und in einem vorgezogenen Termin im Sommer 2016 hierfür erneut zusammenzukommen. Aspekte in der Aussprache zu diesem Thema waren großer Dank an die Helfer, die Notwendigkeit, den Austausch der Akteure miteinander zu fördern, Transparenz über das System und die Aktivitäten vor Ort zu schaffen, gemeinsam an Strukturen und Abläufen zu arbeiten, längerfristige Einsatzplanungen zu entwickeln und Wege zu öffnen, um Flüchtlinge mit ihren Erfahrungen und Kompetenzen in das System einzugliedern.