Netzwerktreffen der nordrhein-westfälischen Psychosozialen Zentren in der Psychotherapeutenkammer NRW
Für den 24. Februar 2016 hatte die Psychotherapeutenkammer NRW die Vertreterinnen und Vertreter der Psychosozialen Zentren (PSZ) in Nordrhein-Westfalen zum gemeinsamen Austausch in ihre Geschäftsstelle eingeladen. Ziele des Arbeitstreffens waren, sich über zentrale Fragestellungen hinsichtlich der Versorgung psychisch belasteter Flüchtlingen zu verständigen und Anregungen zu sammeln, wie sich Austausch und Vernetzung aller Beteiligten gestalten und intensivieren lassen.
„Wir möchten verstärkt in die Regionen gehen und mit den Menschen ins Gespräch kommen, die dort aktiv sind – also mit Ihnen in den Psychosozialen Zentren“, betonte Kammerpräsident Gerd Höhner eingangs. „In vielen Gremien, in denen Entscheidungen getroffen werden, haben die Verantwortlichen wenig oder keine direkte Verbindungen zu Flüchtlingen und Helfern. Das kann auch niemand erwarten. Aber umso wichtiger erscheint es uns, Kontakte herzustellen, sich kennenzulernen und über die Situation vor Ort zu sprechen.“
Rückmeldungen an die Mitglieder weiterreichen
Die Rückmeldungen, welche Unterstützung die PSZ für ihre Arbeit mit Flüchtlingen benötigen und wie eine engere Zusammenarbeit aussehen kann, kann die Kammer an ihre Mitglieder weiterreichen und ihnen damit Möglichkeiten aufzeigen, wie sie die Arbeit der Zentren unterstützen können. Generell sei bei Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ein großes Interesse daran zu spüren. „So werden zum Beispiel Fortbildungen mit kultursensiblen Inhalten stark nachgefragt“, berichtete Gerd Höhner. „Vier Veranstaltungen, die wir Ende letzten Jahres und im Januar 2016 durchgeführt haben, waren mit fast 200 Anmeldungen schnell ausgebucht und gingen mit rund 300 Wartelisteneinträgen einher. Weitere Termine sind in Planung.“
Gleichzeitig sei es ein Anliegen der Kammer, dass Akteurinnen und Akteure vor Ort vermehrt zusammenfinden. „Teilweise wissen die Leute in der einen Region nicht, was in der anderen getan wird. Es gibt kaum in die Fläche wirkende Informationen“, hielt Gerd Höhner fest. „Wir möchten gemeinsam mit Ihnen überlegen: Was kann die Psychotherapeutenkammer NRW dazu beitragen, um das zu ändern? Welche gemeinsame Ansätze sind aus Ihrer Sicht möglich?“
Regionale Ansätze verfolgen
Im Rahmen des Netzwerktreffens kamen dringliche Themen, Schwierigkeiten und mögliche Lösungsansätze facettenreich zur Sprache. Neben dem Thema der fehlenden Dolmetscher, Sprach- und Integrationsmittler an nahezu allen für die Versorgung von Flüchtlingen relevanten Schnittstellen wurde auch deutlich, dass es vor allem im ländlichen Bereich an Infrastruktur mangelt und nicht wenige PSZ mit dem Missverhältnis von zahlreichen Anfragen und fehlenden Therapeutinnen und Therapeuten zu kämpfen haben. „In den Ballungsräumen geht es gerade noch so, auch wenn der Bedarf dort größer ist als die Kapazitäten“, erklärte Annette Windgasse vom Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf. „In den ländlichen Regionen aber fehlt die Infrastruktur. Der regionale Ansatz ist uns daher sehr wichtig.“
Andreas Pichler, Vizepräsident der PTK NRW, wies in diesem Zusammenhang auf eine Befragung zur psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen und den Aktivitäten vor Ort hin, mit der sich die Kammer in Kürze an ihre Mitglieder wenden wird, um ein Bild über bestehende Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen zu gewinnen. „Die eingehenden Hinweise möchten wir bündeln und weiterreichen, um die Vernetzung aller Beteiligten und den Ausbau vorhandener Strukturen zu unterstützen.“
Barbara Freitag von Refugio Münster betonte in diesem Zusammenhang den Wunsch nach klaren Regelungen. „In Münster beispielsweise haben wir zwar ein Netzwerk an Therapeuten, die sofort starten könnten – aber es gibt keine verlässliche und verbindliche Regelung hinsichtlich der Finanzierung. Dies betrifft besonders die Dolmetscherkosten. Es wird immer im Einzelfall geprüft und entschieden. Häufig werden die Dolmetscherkosten vom Sozialamt nicht übernommen. Ein einheitliches Verfahren und ein einheitlicher Kostenträger würden vieles erleichtern und den Therapeuten Planungsprobleme nehmen.“
Wissen vermitteln, Hemmschwellen senken
Konsens bestand darüber, dass viele Therapeutinnen und Therapeuten Fragen zu den Besonderheiten einer Therapie mit Flüchtlingen haben und auch Unsicherheiten bestehen, beispielsweise hinsichtlich der Arbeit mit Dolmetschern und Sprachmittlern. Entsprechend wurde die Bedeutung von Fortbildungsangeboten hervorgehoben. „Die Therapie mit Menschen aus anderen Kulturkreisen kann eine sehr große Bereicherung sein, das erlebe ich selbst so und das hören wir auch von niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, die sich darauf eingelassen haben“, erklärte die Psychologische Psychotherapeutin Ruth Flügge von der Diakonie Mark-Ruhr Hagen. „Die Arbeit mit Sprachmittlern ist für viele Niedergelassene zunächst fremd, aber die betroffenen Menschen brauchen Hilfe. Umso wichtiger ist es, bei Therapeutinnen und Therapeuten die Hemmschwelle für eine Therapie zu dritt zu senken.“
Festgehalten wurde auch die Bedeutung einer gesicherten Anfangs- und Einstiegsdiagnostik und das diese Aufgabe nicht ungeschulten Laienhelfern übertragen werden könne. Wichtig sei dies nicht allein mit Blick darauf, einen Behandlungsbedarf rechtzeitig und richtig zu erkennen. Es ginge auch darum, für Menschen anderer Kulturkreise, die das Konzept der Psychotherapie möglicherweise nicht kennen oder deren Situation eine andere Herangehensweise erfordere, passende Angebote zu machen. Mehrere Akteurinnen und Akteure berichteten hierzu unter anderem von guten Erfahrungen mit niedrigschwelligen Gruppenangeboten. „Auch wir als Kammer sind der Ansicht, dass Psychotherapie sich weiten darf und sind durchaus daran interessiert, dass unsere Profession anwendungsorientiert über den Tellerrand schaut“, betonte Andreas Pichler.
Einsatz von Laienhelfern steuern
Die Diskussion um den Einsatz traumainformierter Laienhelfer bezog sich insbesondere auf die Frage, was sie leisten können und wo die Grenzen liegen. „Der Plan, ungeschulte Laienhelfer über einen Fragebogen den Behandlungsbedarf ermitteln zu lassen, ist abenteuerlich“, konstatierte Kammerpräsident Gerd Höhner. „Grundsätzlich müssen wir überlegen, wer bei dem Einsatz traumainformierter Laienhelfer die fachliche Aufsicht übernimmt. Ebenso müssen wir darüber reden, welche Schulungen Laienhelfer und Ehrenamtliche benötigen und wie sie organisiert werden können.“ Monika Schröder vom LVR-Klinikum Düsseldorf/Kliniken der Heinrich-Heine-Universität fügte hinzu, dass man auch sehen müsse, dass es kein flächendeckendes System von Laienhelfern geben kann. „Wir werden das nicht einrichten können und das kann auch nicht die Lösung sein. Zugang zur psychotherapeutischen Regelversorgung muss es für diejenigen, die es brauchen, auch geben. Das muss klar kommuniziert werden. Alles andere wäre ein falsches Signal an die Politik.“
Auch dem Umgang mit Ermächtigungen widmeten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Netzwerktreffens. Auf die Frage der PTK NRW, welche Erfahrungen mit den Zulassungsausschüssen beziehungsweise den Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Beantragung und Bewilligung von Ermächtigungen zur Versorgung von Flüchtlingen bestehen, zeigte sich, dass es weiterhin vielerorts Unsicherheiten und Unklarheiten gibt. Schließlich kam hinsichtlich der Ermächtigungen einmal mehr der Ruf nach einer Regelfinanzierung von Hilfen für Flüchtlinge auf.
Den gemeinsamen Weg fortführen
Zum Abschluss eines konstruktiven Nachmittags bekräftigten Gerd Höhner und Andreas Pichler im Namen des Vorstandes den Wunsch der Kammer, den konstruktiven Austausch auch in Zukunft fortführen zu wollen. Auch die Vertreterinnen und Vertreter der PSZ bekundeten ihr Interesse an einer fortlaufenden Zusammenarbeit.