Organtransplantation - ein Wettlauf mit der Zeit Bessere psychotherapeutische Betreuung notwendig
Es ist ein lebensgefährlicher Wettlauf mit der Zeit: In Deutschland warten rund 12.000 Menschen auf ein gespendetes Organ. Doch nur 4.000 Organe werden jedes Jahr gespendet. Jeden Tag sterben drei Menschen, die auf die Niere, Leber, Lunge oder das Herz eines anderen warten. Die Angst vor dem Tod bestimmt auch die Wochen und Monate nach einer Operation, weil der Körper das fremde Organ abstoßen kann.
„Der Patient kann nichts tun, als ohnmächtig warten“, erklärt Monika Konitzer, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer NRW. „Dieses Ausgeliefertsein ertragen Menschen sehr unterschiedlich gut oder schlecht. Schwer erträglich ist auch, dass das eigene Leben vom rechtzeitigen Tod eines anderen Menschen abhängt.“ Die Psychotherapeutenkammer NRW fordert deshalb anlässlich ihrer Tagung „Psychotherapie und Organtransplantation“ am 6. Februar in Düsseldorf eine bessere psychotherapeutische Betreuung von Organtransplantierten. „Die psychischen Belastungen vor, direkt nach und auch im Langzeitverlauf nach einer Organtransplantation können je nach Situation erheblich sein. Häufig fühlen sich Patienten und Angehörige mit diesen Problemen allein gelassen. Selbsthilfegruppen können hier nur sehr eingeschränkt helfen. Es fehlt vor allem an qualifizierten Psychotherapeuten, die wohnortnah zu den Hilfesuchenden praktizieren,“ beschreibt Burkhard Tapp, Sprecher des Bundesverbandes der Organtransplantierten e.V., das Dilemma.
Menschen, die auf ein fremdes Organ warten, müssen mit den vielfältigen Belastungen einer chronischen Krankheit leben. Häufig sind sie schwer krank und wissen nicht, ob ihre Lebenszeit noch reicht, bis ein fremdes Organ verfügbar ist. Während dieser Zeit sind sie meist zu regelmäßigen Untersuchungen im Krankenhaus, doch die Qualität der psychischen Beratung und Diagnostik schwankt dort erheblich. Es fehlen qualitative Mindeststandards für die „psychische Betreuung“, zu der jedes Zentrum nach § 10 Transplantationsgesetz verpflichtet ist. Dazu gehören entsprechende Fortbildungen für Ärzte und Krankenschwestern, aber auch psychotherapeutische Beratung und Behandlung, wenn eine psychische Krise oder Krankheit vorliegt. „Jeder Patient sollte danach fragen, ob das Transplantationszentrum über ein qualifiziertes psychosoziales Angebot verfügt“, empfiehlt Konitzer. „Je genauer ein Zentrum dieses Angebot beschreibt, desto besser.“
Organtransplantierte brauchen auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus eine kontinuierliche psychische Betreuung. Einerseits beginnt für viele Patienten nach einer erfolgreichen Operation ein „zweites Leben“, andererseits müssen die meisten ihr Leben lang eine Reihe strenger medizinischer Regeln befolgen, die für den dauerhaften Erfolg der Transplantation entscheidend sind. Außerdem muss der Patient das fremde Organ in sein Körperbild integrieren und manchmal auch eine gedankliche Beziehung zum verstorbenen Spender entwickeln. Transplantationszentren sollten Patienten beraten, dass bei psychischen Krisen und Erkrankungen eine psychotherapeutische Behandlung sehr wirksam ist und wie sie diese finden können. „Hier fehlt es bisher an geeignetem Personal und der notwendigen Zeit,“ kritisiert Burkhard Tapp. Auch eine mangelnde Vernetzung mit dem ambulanten psychotherapeutischen Bereich muss leider festgestellt werden, so dass kaum geeignete Adressen bekannt sind.“
„Existenziell verunsicherte Patienten dürfen nicht auf sich allein gestellt sein“, fordert NRW-Präsidentin Konitzer. „Bisher reicht die psychische Betreuung in Transplantationszentren nicht aus.“ Außerhalb der Klinik hat jeder Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen grundsätzlich einen Anspruch auf Psychotherapie. „Psychotherapie ist seit mehr als zehn Jahren eine normale Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung“, stellt Konitzer klar. „Nicht jeder denkt daran, dass Psychotherapie auch bei Organtransplantationen weit wirksamer ist als Beruhigungspillen.“ Damit Patienten schneller einen Psychotherapeuten finden, unterstützt die Kammer den Bundesverband der Organtransplantierten beim Aufbau einer Adresskartei. In dieser Kartei werden Psychotherapeuten aufgenommen, die sich bereit erklärt haben, Patienten vor oder nach der Operation zu beraten und zu behandeln. Der BDO ist sehr froh, dass uns die Psychotherapeutenkammer dabei unterstützt, den Betroffenen vor und nach einer Transplantation eine kompetente wohnortnahe psychotherapeutische Versorgung anbieten zu können“, erklärt Burkhard Tapp. „Durch eine Fragebogenaktion unter den niedergelassenen Mitgliedern der Kammer stehen nun Adressdaten von rund 200 Psychotherapeuten zur Verfügung, die bereits überwiegend Erfahrung mit Betroffenen aus dem Bereich Organspende und Transplantation haben.“
Die Zahl der Organspenden ist in Deutschland nach wie vor zu gering. Im Jahr 2009 spendeten bundesweit 1.217 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe. Damit spenden von einer Million Einwohnern 14,9 Menschen bis zu acht Organe. Die Spendebereitschaft liegt in Nordrhein-Westfalen im Bundesdurchschnitt: Im Jahr 2009 spendeten an Rhein und Ruhr 259 Menschen ihre Organe. Das waren 14,5 Menschen von einer Million Einwohnern. Im Osten der Bundesrepublik ist die Spendebereitschaft deutlich höher (18,1 bis 19,2). „Wir möchten vor allen Dingen, dass sich mehr Menschen bewusst entscheiden, ob sie ihre Organe spenden möchten oder nicht. Mit der Organspende schenken sie einem anderen Menschen häufig ein zweites Leben und es ist nie zu spät einem anderen sein Herz zu schenken“, erklärte Burkhard Tapp vom Bundesverband der Organtransplantierten.