Psychisch Kranke im Ruhrgebiet massiv benachteiligt Gesetzgeber muss mehr Therapieplätze schaffen
Die Zahl der psychotherapeutischen Praxen ist in den Großstädten des Ruhrgebietes erheblich niedriger als in allen anderen deutschen Großstädten. Während sich in Großstädten normalerweise knapp 40 Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner niederlassen dürfen, sind es an Rhein und Ruhr nur gut 10 Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner. „Der Gesetzgeber sollte dringend mehr Therapieplätze zwischen Duisburg und Dortmund schaffen“, betont Monika Konitzer, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer NRW anlässlich der morgigen Beratungen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes im Deutschen Bundestag. „Psychisch kranke Menschen warten im Ruhrgebiet durchschnittlich 17 Wochen auf ein erstes Gespräch beim niedergelassenen Psychotherapeuten.“
Die Wartezeiten für psychisch Kranke sind grundsätzlich deutlich länger als bei körperlich Kranken. Nur drei Prozent der Patienten warten bei einem Hausarzt länger als drei Wochen auf einen Termin, bei Fachärzten etwa 20 Prozent. Bei Psychotherapeuten warten jedoch zwei von drei Patienten in den Städten (64 Prozent), vier von fünf Patienten auf dem Land (80 Prozent) und neun von zehn Patienten im Ruhrgebiet (88 Prozent) mehr als drei Wochen auf ein Gespräch beim Psychotherapeuten. „Länger als drei Wochen sollten auch psychisch kranke Menschen nicht auf eine Behandlung warten müssen“, fordert PTK-Präsidentin.
Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz droht sogar eine Verlängerung der Wartezeiten. Weil es rein rechnerisch in Deutschland zu viele psychotherapeutische Praxissitze gibt, könnten im Ruhrgebiet 267 psychotherapeutische Praxen abgebaut werden. „Die amtlichen Kennzahlen aus dem Jahr 1999, die festlegen, wie viele Psychotherapeuten sich wo in Deutschland niederlassen dürfen, sind längst überholt und unterschätzen den Bedarf an Therapieplätzen massiv“, kritisiert Konitzer. „Wir brauchen dringend eine Bedarfsplanung, die die Zahl der notwendigen ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen an Hand der Häufigkeit körperlicher oder seelischer Erkrankungen festlegt.“
Psychische Verletzung und Leiden sind alltäglich. In Deutschland erkrankt jeder dritte Bundesbürger innerhalb eines Jahres an einer seelischen Erkrankung. Über das gesamte Leben gerät jeder Zweite in eine behandlungsbedürftige psychische Krise. „Es ist nicht überraschend, dass Menschen relativ häufig an ihrem komplexesten Organ, der Psyche, erkranken“, stellt PTK-Präsidentin Konitzer fest. „Für psychische Erkrankungen stehen im deutschen Gesundheitssystem jedoch noch längst nicht die notwendigen Therapieplätze und Mittel zur Verfügung
Die Ausgaben für die ambulante psychotherapeutische Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung betragen im Jahr rund 1,3 Milliarden Euro. Ärzte erhalten dagegen 25 Milliarden Euro jährlich. Auch die Kosten für Psychopharmaka liegen mit 2,5 Milliarden Euro fast doppelt so hoch wie die Ausgaben für Psychotherapie. Selbst die Kosten für Krankengeld, das die Krankenkassen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer aufgrund psychischer Erkrankungen zahlen müssen, sind höher und betragen zwei Milliarden Euro.
„Jeder Euro für ambulante Psychotherapie rechnet sich“, betont Konitzer. Nach einer aktuellen Studie der Techniker Krankenkasse führt jeder Euro, der in eine Psychotherapie investiert wird, innerhalb eines Jahres zu einer Einsparung von zwei bis drei Euro. Durch ein ausreichendes ambulantes Therapieangebot ließen sich insbesondere stationäre Behandlungen vermeiden. Die BARMER GEK beklagte in ihrem Krankenhaus-Report 2011, dass sich die Anzahl der Patienten, die sich in den vergangenen Jahren aufgrund psychischer Erkrankungen in einer Klinik behandeln ließ, mehr als verdoppelt hat.