Psychotherapie in Somatik und Psychiatrie/Psychosomatik – PTK NRW-Veranstaltung „Angestellte im Fokus“ am 07.02.2018
Wie lässt sich psychotherapeutische Kompetenz in die vielfältigen Anforderungen und Arbeitsabläufe einer somatischen Klinik einpassen? Welchen Stellenwert nehmen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in multiprofessionellen Behandlungskonzepten von psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken ein? Die Veranstaltung „Angestellte im Fokus – Psychotherapie in der Somatik und der Psychiatrie/Psychosomatik“ am 7. Februar 2018 in Dortmund eröffnete einen Einblick in die Praxis und stellte den über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern anhand konkreter Beispiele Berufsfelder und Organisationsstrukturen vor. Die Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) knüpfte mit diesem Angebot an die Veranstaltung „Angestellte im Fokus – Tarifrecht, Arbeitsrecht, Berufsrecht“ im Februar 2017 an. Auch in diesem Jahr wurde die Informationsveranstaltung federführend von dem Ausschuss für Psychotherapie in Krankenhaus und Rehabilitation der Kammer ausgerichtet. Die Moderation übernahm Ausschussmitglied Rolf Mertens.
„Von den knapp 11.000 approbierten Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Nordrhein-Westfalen sind gut 1.000 gemischt selbstständig und angestellt, etwa ein Viertel ist ausschließlich angestellt“, informierte Rolf Mertens. „Der größte Teil der angestellten Kolleginnen und Kollegen arbeitet in Krankenhäusern. Weitere Tätigkeitsfelder – das spiegelt auch das Teilnehmerprofil des heutigen Tages – sind Beratungss tellen, Hochschulen, andere Körperschaften und Einrichtungen in Bereichen wie Jugendhilfe, Rehabilitation oder Forensik.“
Psychotherapie in der Herzchirurgie
Einen Einblick in psychotherapeutische Herausforderungen und Arbeitsfelder in der Herzchirurgie vermittelte Dr. Katharina Tigges-Limmer. Die Psychologische Psychotherapeutin und Leiterin der medizinpsychologischen Abteilung der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie des Herz- und Diabeteszentrums in Bad Oeynhausen beschrieb die spezifischen psychischen Belastungen von Patientinnen und Patienten im Zusammenhang mit Herzoperationen, Herzinsuffizienz und Herztransplantationen. Beispielhaft verdeutlichte sie, wie psychotherapeutische Maßnahmen sie unterstützen können – etwa im Umgang mit Therapiemaßnahmen, bei der Akzeptanz eines Fremdorgans oder der Compliance hinsichtlich Medikamenteneinnahme und Lebensführung – und welche psychotherapeutische Verfahren dafür in der Herzmedizin genutzt werden. Eine zusätzliche Aufgabe für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der Klinik sei die Schulung des medizinischen Personals. Positiv wertete Dr. Katharina Tigges-Limmer die gute Einbindung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in das fachliche Team der Herzstation. Sie selbst nähme als angestellte Psychotherapeutin im Rang einer Oberärztin an sämtlichen Besprechungen des Herzteams teil. Die Bereitschaft von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, sich medizinischen Inhalten zu öffnen, bezeichnete sie als eine wichtige Basis für eine erfolgreiche Teamarbeit in diesem Arbeitsbereich.
Schmerzpsychotherapie im Kliniksetting
Das Arbeitsfeld Schmerzpsychotherapie in der Klinik stellte Dr. Jule Frettlöh von der Neurologischen Klinik und Poliklinik und dem Psychotherapiezentrum am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum vor. Die Psychologische Psychotherapeutin zeigte verschiedene Gruppen von Schmerzpatienten, die Bausteine der Schmerztherapie und weitere therapeutische Themenbereiche auf. Beispielhaft machte sie deutlich, wie psychotherapeutische Maßnahmen den Weg für eine psychosomatische Schmerztherapie ebnen können, indem sie verdeckte Ursachen für den Schmerz demaskieren oder Probleme wie eine posttraumatische Belastungsstörung erkennen lassen. In einen psychotherapeutischen Behandlungsplan sei die Versorgung in der Klinik derzeit nicht eingefasst, jedoch würden regelmäßige interdisziplinäre Fallkonferenzen im stationären Setting sowie Visiten und Besprechungen im multiprofessionellen Team stattfinden. Mit Blick auf das generelle Angebot schmerzpsychotherapeutischer Versorgung betonte Dr. Jule Frettlöh, dass die multimodale Schmerztherapie, bei der eine von mindestens zwei einbezogenen Fachdisziplinen eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologische sein muss, im Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) verzeichnet ist. In der Praxis stelle sich daher meist nicht die Frage ob, sondern wann, wie und wo eine Schmerzpsychotherapie stattfinden kann.
Psychotherapie in der Psychiatrie
Dr. Georg Kremer von den Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld beleuchtete am Beispiel der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Evangelischen Klinikums Bethel die Eingliederung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in den stationären Betrieb, ihre Verantwortungsbereiche und ihre Vergütung. Ersichtlich wurde, dass Psychotherapie in allen Arbeitsbereichen der Akutpsychiatrie Anwendung finden kann. Im Bielefelder Klinikum seien Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Team mit Ärztin oder Arzt fallverantwortlich und viele in bereichsleitender Funktion tätig. Positiv zu werten sei, dass der Stellenplan die vorgesehene Zahl an Ärztinnen und Ärzten, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als eine Größe betrachte. Das würde der Profession einen deutlich erweiterten Spielraum und gute Arbeits- und Entwicklungsbedingungen eröffnen. Hinsichtlich der tariflichen Einordnung bemängelte Dr. Georg Kremer, dass approbierte Kolleginnen und Kollegen, die auf Facharzt oder Oberarztniveau arbeiten, deutlich weniger verdienen würden als ihr ärztliches Äquivalent.
Psychotherapie in der Rehabilitation
Susanne Grohmann von der Gelderland-Klinik, Fachklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Geldern, stellte Tätigkeitsfelder und Perspektiven für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der Rehabilitation vor. Die Psychologische Psychotherapeutin skizzierte die Besonderheiten der stationären medizinischen Rehabilitation und ihren Stellenwert bei psychischen Erkrankungen und Abhängigkeitserkrankungen. Die Gelderland-Klinik setze in diesem Bereich ein integratives Behandlungskonzept um, in dem ein multiprofessionelles Team die psychotherapeutische Behandlung leiste. Viele Verantwortungen und Befugnisse würden in der Hand der psychologischen Bezugstherapeuten liegen, die hauptverantwortlich für den therapeutischen Prozess und die Behandlung seien. Susanne Grohmann umriss ihr eigenes Tätigkeitsprofil als leitende Psychologin und betonte die zentrale Stellung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im „Reha-Team“. Auch sie kritisierte die fehlende Vergütung nach fachärztlichem Äquivalent. Neben einer besseren Vergütung für angestellte Kolleginnen und Kollegen sprach sie sich unter anderem für Verantwortung und Weisungsbefugnisse für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Teamleitungsebene und mehr Kolleginnen und Kollegen in der Klinikleitung aus.
Attraktives Arbeiten im Team
In der Diskussion wurden Aspekte zu der Anerkennung und der Stellung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im medizinischen Team angesprochen, wie weit ihre Kompetenzen gefasst sein können oder sollten und ob psychotherapeutische Kompetenzen in der Klinik in einer Stabsstelle zusammengeführt oder dezentral an die Abteilungen angegliedert sein sollten. Mehrfach zur Sprache kam die unzureichende Vergütung und was es für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bedeutete, bei ungleicher Bezahlung im Vergleich zu den Ärztinnen und Ärzten dennoch gleiche Leistungen zu erbringen. Im Hinblick auf die Attraktivität einer Tätigkeit im klinischen Bereich führten die Referentinnen und der Referent das breite Spektrum an Themen, Tätigkeiten und Verantwortungen an, die Chance, mitgestalten zu können und in multiprofessionellen Teams von anderen Berufsgruppen lernen zu können.
„Wir haben ein gutes Angebot“
„Wir müssen immer wieder vortragen, welche Kompetenzen wir haben. Das erfordert viel Geduld“, sagte Gerd Höhner, Präsident der PTK NRW, in seinem Schlusswort. „Es ist erfreulich, dass die neue Regierung nun die zügige Umsetzung der Reform der Psychotherapeutenausbildung in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat. Angestrebt ist, sie strukturell der Medizinerausbildung gleichzustellen. Viele Themen, die wir heute beständig anbringen müssen, werden damit in 20 Jahren selbstverständlich sein.“ Als wichtige berufspolitische Aufgaben verwies der Kammerpräsident auf die Ausweitung der Anwendungsfelder von Psychotherapie, etwa bei chronischen Erkrankungen, aber auch in Form von Angeboten für Menschen mit Intelligenzminderung und im Sinne einer guten fachlichen Versorgung älterer Menschen in Pflegeheimen. Hinsichtlich der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen erklärte Gerd Höhner: „In der tariflichen Eingruppierung kommen wir derzeit an einigen Stellen zu kurz. Umso wichtiger ist jedoch, dass wir unsere Kompetenzen zeigen. Wir treten nicht als Lückenfüller an oder weil die Besseren fehlen. Wir sind gut qualifiziert und haben ein gutes Angebot, das zu einer besseren Versorgung beiträgt. Damit können wir punkten, denn das ist das, was für die Kostenträger letztlich zählen wird.“