Regionalversammlung im Regierungsbezirk Münster
Am 5. September setzte der Vorstand der Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) mit einer Regionalversammlung für den Regierungsbezirk Münster sein Angebot fort, vor Ort über aktuelle berufspolitische Themen zu informieren und mit den Kammermitgliedern in den Austausch zu kommen. Zentrale Tagesordnungspunkte der Veranstaltung in Gelsenkirchen waren die Reform der Psychotherapeutenausbildung, die Digitalisierung im Gesundheitswesen sowie Aspekte der Versorgungsplanung auf Bundesebene und im Ruhrgebiet.
Reform der Psychotherapeutenausbildung
Kammerpräsiden Gerd Höhner informierte über den Stand hinsichtlich der Pläne zur Reform der Psychotherapeutenausbildung. In einem arbeitsintensiven Abstimmungsprozess habe man mittlerweile auf Landesebene und mit dem Bundesgesundheitsministerium eine gemeinsame Linie gefunden. Derzeit ließe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn keinen Zweifel verlauten, dass die vorliegenden Überlegungen mit einem Referentenentwurf in dieser Legislaturperiode in die parlamentarische Abstimmung gehen sollen.
Vorgesehen ist, mit der Reform die Psychotherapeutenausbildung künftig analog zu anderen Heilberufen auf ein Bachelor-/Master-Studium mit Approbationsprüfung zu gründen. Mit Erlangung der Approbation sollen die Studierenden die allgemeine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde im Bereich Psychotherapie erwerben. Damit soll die aktuell prekäre finanzielle und rechtliche Situation der Ausbildungsteilnehmenden nach dem Studium beendet werden. An das Studium soll sich eine fünfjährige Weiterbildung anschließen, in der die Spezialisierung auf die Arbeit mit Erwachsenen oder Kindern und Jugendlichen und der Erwerb der Fachkunde erfolgen.
Praxis bieten, Vielfalt erhalten
In der Diskussion wurde hervorgehoben, dass ein Studium mit hohen Praxisanteilen und einem zusätzlichen 11. Praxissemester angestrebt wird. „Ziel ist zudem, die Verfahrensvielfalt der Psychotherapie in Ausbildung und Lehre zu erhalten. In der Vielfalt liegt die Zukunft.“ bekräftigte Gerd Höhner. „Die Weiterbildung soll sowohl im klinischen wie auch im institutionellen Bereich wie beispielsweise in Einrichtungen der Jugendhilfe oder der Rehabilitation erfolgen. Als wichtige nächste Aufgaben definierte er die Organisation der Weiterbildung und die Weiterentwicklung möglicher Finanzierungskonzepte. Abschließend wies der Kammerpräsident darauf hin, dass die aus dem Bundesgesundheitsministerium stammende Überlegung, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sollten demnächst über einen Modelstudiengang Psychopharmakotherapie entsprechende Zusatzqualifikationen erwerben, vor dem Hintergrund des Mangels an Psychiaterinnen und Psychiatern zu sehen sei. „Als Profession lehnen wir ein solches Konzept so wie aktuell vorgeschlagen als nicht zielführend ab“.
Digitalisierung im Gesundheitswesen
PTK NRW-Vorstandsmitglied Hermann Schürmann verdeutlichte mit Blick auf die Digitalisierung im Gesundheitswesen, dass sich Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit den aktuellen Entwicklungen befassen müssten. Wer internetbasierte Interventionen in der Psychotherapie einsetze, müsse beachten, dass hierbei besondere Sorgfaltspflichten gelten. Zudem müssten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten für ihre Diagnosestellung unabhängig von dem auf dem letzten Ärztetag gelockerten Fernbehandlungsverbot für Ärztinnen und Ärzte stets direkten Kontakt zu ihren Klienten haben. Außerdem könnten Internetangebote eine Psychotherapie immer nur ergänzen, nicht ersetzen. „Zahlreiche Krankenkassen haben Gesundheitsprogramme entwickelt, die sie als Beratung und Unterstützung zum Beispiel für Menschen mit Depressionen anbieten“, erläuterte Hermann Schürmann. „Wir sehen allerdings: Programme, bei denen ein persönlicher Kontakt fehlt, werden deutlich häufiger abgebrochen. Die anfängliche Begeisterung, mit entsprechenden Angeboten den Bedarf an Psychotherapie senken zu können, scheint daher bereits wieder etwas abzuklingen.“
Herrmann Schürmann ging auch auf die zu entwickelnde Telematik-Infrastruktur ein. Grundsätzlich sei sie als Verbesserung für die Datensicherheit zu werten und die Profession könne sich den Neuerungen nicht verschließen. Gleichzeitig sollten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten aber auch weiterhin berechtigte Bedenken äußern, etwa hinsichtlich der Frage, wer in Zukunft welche Patientendaten einsehen kann. Vorstandmitglied Mechthild Greive bekräftigte, dass Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sich in der Praxis mit sicheren Kommunikationswegen und Datenschutz befassen und auch Patientinnen und Patienten für diese Themen sensibilisieren sollten. „Ebenso müssen wir uns dafür stark machen, dass die notwendigen Investitionsmittel für sichere Datenleitungen und Datenübermittlungswege zur Verfügung gestellt werden“, motivierte sie die Kammermitglieder.
Fragen zur Versorgungsplanung
Gerd Höhner kam schließlich auf die Versorgungsplanung zu sprechen. Er hielt fest, dass das ausstehende Gutachten des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur ambulanten Versorgung letztlich die Frage klären solle, wie sich die Bedarfe berechnen lassen. „Das Gutachten wird die Bedarfe jedoch keineswegs so abbilden können, wie wir sie in der Praxis erleben, nämlich in Form einer hohen Nachfrage nach Psychotherapie“, stellte der Kammerpräsident fest. Es sei daher auch nicht davon auszugehen, dass die Zahl der zugelassenen Kassensitze für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten auf Grundlage dieses Gutachtens angehoben werde. Die 87 neuen Sitze, die nach Beschluss des G-BA im besonders benachteiligten Ruhrgebiet von den Kassenärztlichen Vereinigungen zugewiesen werden sollen, würden bei weitem nicht ausreichen, um den eklatanten Versorgungsmangel in der Region zu beheben, in der laut Wartezeitenstudie der Bundespsychotherapeutenkammer neue Psychotherapiepatienten im Schnitt sieben Monate auf den Beginn einer Psychotherapie warten. Die PTK NRW hatte mindestens 300 neue Sitze für das Ruhrgebiet gefordert, die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) aufgrund anderer Parameter mindestens 700 neue Sitze.
„Die Argumente für eine notwendige Verbesserung der Situation sind offensichtlich“, erklärte Gerd Höhner. „Doch wenn es um die Verteilung der Pfründe geht, ist unser vergleichsweise junger Berufsstand nicht bei allen Akteuren gut gelitten. Wir sind mit gut 45.000 approbierten Kolleginnen und Kollegen bundesweit mittlerweile eine feste Größe im Gesundheitssystem und leisten über 80 Prozent der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung. Zur Durchsetzung unserer Positionen müssen wir aber noch Überzeugungsarbeit leisten. Die PTK NRW werde die Verbesserung der Versorgung auch in den kommenden Jahren als zentrales Thema auf ihrer Agenda führen, versicherte Gerd Höhner. Vorstandsmitglied Cornelia Beeking fügte hinzu, dass man Geduld und Beharrlichkeit mitbringen müsse, um in den bestehenden Strukturen einen Fuß in die Tür zu bekommen. „Wir können die rechtlichen Strukturen nicht von uns aus ändern. Aber wir haben gute Argumente und werden unsere Anliegen immer wieder in die politischen Diskussionen einbringen und an die Öffentlichkeit tragen.“
Weiterentwicklung der Berufsfelder
In der Aussprache wurde auch die Aufgabe hervorgehoben, zeitgemäße, familienfreundliche und praktikable Arbeitsmodelle zu fördern. „Ebenso müssen wir uns fragen, in welche Richtung unsere Angebote in Zukunft gehen können, betonte Gerd Höhner. „Das heißt, dass wir unsere Kompetenzen in Bereiche einbringen, in denen wir bereits jetzt angefragt werden. Dazu gehört beispielsweise die psychotherapeutische Mitbehandlung bei chronischen somatischen Erkrankungen wie Diabetes oder Krebs. Aktuell diskutieren wir hierzu auf Länder- und auf Bundesebene die damit verbundenen Anforderungen an die zukünftige Weiterbildung.“ Abschließend unterstrich der Kammerpräsident, dass mit der mittlerweile gelungenen Eingruppierung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in die Entgeltgruppe 14 im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) zwar noch nicht das avisierte Ziel – E 15 auf Facharztniveau – erreicht sei. Die Aufnahme der Berufsgruppe in den TVöD sei jedoch generell ein großer Erfolg. „Es ist ein deutlicher struktureller Fortschritt, dass wir nun als Teil des Systems an Diskussionen teilnehmen und in den bestehenden Tarifsystemen verankert sind. Dies ist auch die Voraussetzung für die Platzierung in den Stellenplänen in Krankenhäusern und anderen Institutionen der öffentlichen Versorgung.“