Rückblick auf die Fachtagung der Psychotherapeutenkammer NRW mit dem Gesundheitsministerium zu Sachstand und Perspektiven der psychotherapeutischen Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung in NRW
Mit rund 570 angemeldeten Teilnehmenden fand die ganztätige Online-Fachtagung „Psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung in Nordrhein-Westfalen – Sachstand und Perspektiven“ am 22. Februar 2022 ausgesprochen großen Anklang. Veranstaltet wurde sie gemeinsam vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) und der Psychotherapeutenkammer NRW. Die Kommission „Psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung“ und weitere Kammermitglieder mit besonderer Expertise in diesem Themenfeld hatten an der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung engagiert mitgewirkt. In einer Begrüßungsrunde, Fachvorträgen, Workshops und der Podiumsdiskussion wurden die Mängel in der psychotherapeutischen Unterstützung von Menschen mit Intelligenzminderung erörtert, Barrieren beschrieben und Lösungsansätze aufgezeigt. Künstlerische Einspieler rundeten das Fachprogramm ab: Menschen mit Intelligenzminderung, die im Schrägstrichtheater e. V. in Münster und im partizipativen Institut TOUCHDOWN 21 aus Bonn aktiv sind, präsentierten einen Videobeitrag und eine Lesung. Zu allen Programmpunkten waren Übersetzungen in Leichte Sprache und in Gebärdensprache verfügbar.
Dr. Edmund Heller , Staatssekretär im MAGS, erläuterte in der als Gespräch moderierten Begrüßung, man wolle mit der Tagung Behandelnde, in dem Versorgungsbereich Beschäftigte und Angehörige von Menschen mit Intelligenzminderung für das Thema sensibilisieren. Es käme leider immer noch oft vor, dass Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen ungerechtfertigt auf die Intelligenzminderung zurückgeführt würden. Dass die Auffälligkeiten psychisch bedingt sein können, sei vielen nicht bewusst. Dies wiege umso schwerer, da Menschen mit Intelligenzminderung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung drei- bis viermal häufiger psychisch erkranken würden. Das Ministerium habe die Aufgabe, die bestmögliche Gesundheitsversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger im Land sicherzustellen. Im Rahmen dieser Verpflichtung lege man auch einen Fokus auf Menschen mit Intelligenzminderung – entsprechend des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention). Darin werde in Artikel 25 für diese Bevölkerungsgruppe eine „Gesundheitsversorgung in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard wie für andere Menschen“ festgeschrieben. Zudem sollen „Gesundheitsleistungen, die von Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer Behinderungen benötigt werden“ angeboten werden. Die unerwartet große Resonanz auf die Einladung zu der Fachtagung bestätige den Bedarf und das Interesse, sich mit Versorgungsdefiziten in diesem Bereich und ihren Ursachen auseinanderzusetzen.
In den Beratungen 2017 zum Landespsychiatrieplan NRW, sei auch über den Einbezug der Lebenswelt vor allem durch aufsuchende Tätigkeiten diskutiert worden. Festgehalten wurde, dass eine große Nachfrage nach Psychotherapie auf einen Mangel an ambulanten Angeboten treffe, so Dr. Edmund Heller. Unter anderem hätten zu wenige Behandelnde Erfahrungen mit dieser Zielgruppe. Generell sei das Spannungsfeld Wohnortnähe - Regionalisierung - Spezialisierung kontrovers beleuchtet worden, insbesondere im Hinblick auf stationäre Angebote. Deutlich geworden sei, dass es an gesicherten Daten zu den Angebotsstrukturen in den Sektoren und der regionalen Inanspruchnahme fehle. Zur Verbesserung der Datenlage habe das MAGS ein Gutachten in Auftrag gegeben.
Gerd Höhner , Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW, hielt fest: Die beeindruckend große Resonanz auf die Fachtagung verdeutliche das Interesse an einem Thema, dass für den Berufsstand schon immer Relevanz gehabt habe, aber nicht leicht in die Öffentlichkeit zu tragen sei. Zur Zeit der Sitzungen zum Landespsychiatrieplan NRW sei vielfach unbekannt gewesen, dass es psychotherapeutische Angebote für die Arbeit mit Menschen mit kognitiven Einschränkungen gäbe. Dies sei mitunter heute noch so. In den Beratungen sei auch erfreulich offen kritisiert worden, dass es kaum möglich sei, einen Therapieplatz für diese Zielgruppe zu finden. Hierfür gäbe es – damals wie heute – vornehmlich zwei Gründe: zu wenig ambulante Angebote und praxisferne Behandlungsrichtlinien.
Monatelange Wartezeiten aber zum Beispiel auch die fehlende Refinanzierung von aufsuchenden Leistungen würden die Möglichkeiten für eine adäquate Behandlung von Menschen mit Intelligenzminderung von vorneherein einschränken, kritisierte der Kammerpräsident. Die Fortbildungen, die die Kammer in diesem Bereich seit Jahren anbiete, würden gut genutzt und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten seien bereit für die Arbeit mit dieser Zielgruppe. Doch insbesondere in der ambulanten Versorgung würden die Rahmenbedingungen der Psychotherapie-Richtlinie organisatorische und bürokratische Erschwernisse hervorrufen. Vielfach würde den Behandelnden ein übertriebenes Maß an persönlichem Engagement abgefordert. Es sei an der Zeit, dass die verantwortlichen Gremien, insbesondere der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), auf die offensichtlichen Mängel reagiere. Weiterentwicklungen und Flexibilisierungen seien für eine bessere Versorgung unerlässlich.
Claudia Middendorf , Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen, schilderte ihr Anliegen, Berührungsängste abzubauen und für eine adäquate psychotherapeutische Versorgung für Menschen mit Intelligenzminderung einzutreten. Wesentliche Elemente einer guten Versorgung seien auch eine gute Kommunikation, der Einsatz von Leichter Sprache und die Suche nach Alternativen, wenn herkömmliche Kommunikationswege eingeschränkt sein sollten. Als Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung könne sie zudem aktiv daran mitwirken, Akteurinnen und Akteure in diesem Bereich zu erreichen und Vernetzungen zu fördern.
Prof. Dr. med. Michael Seidel von der Deutschen Gesellschaft für seelische Gesundheit bei Menschen mit geistiger Behinderung e.V. (DGSGB) stellte in seinem Vortrag die aktuelle Versorgungssituation von Menschen mit Intelligenzminderung dar. In Deutschland umfasse diese Personengruppe rund 820.000 Menschen. Psychische Belastungen würden bei ihnen im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt häufiger auftreten. Dabei blicke man auf ein breites Spektrum an Krankheitsbildern. Die Diagnose unterliege allerdings immer einer gewissen Unsicherheit, da diagnostische Kriterien bei Menschen mit Intelligenzminderung nicht immer sicher zu erfassen seien. Die Bedarfe an psychotherapeutischer und psychiatrischer Versorgung der Bevölkerungsgruppe bezeichnete er insgesamt als überdurchschnittlich groß. Gleichzeitig würden vielfach quantitative und qualitative Defizite beklagt. Im Ergebnis sei dies ein – bereits lange bekanntes – versorgungspolitisches Paradoxon.
Eine der Barrieren in der Versorgungspraxis sei ein geringes Interesse an der Zielgruppe. Zudem würde es an Erfahrungen und Kompetenzen in der Diagnostik und in der Anwendung spezieller oder adaptierter Therapiemethoden fehlen. Weitere Hindernisse seien hohe Ausfallquoten unter anderem infolge fehlender Wegeassistenzen und der zusätzliche Aufwand durch die Arbeit mit Bezugspersonen, die noch dazu nicht ausreichend finanziert werde. Um die Situation zu verbessern, müsse die Gruppe der Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen stärker in der Aus-, Fort und Weiterbildung der Behandelnden berücksichtigt werden. Assistenzleistungen müssten refinanziert und die Stundenkontingente in der Psychotherapie-Richtlinie erhöht werden. Die wohnortnahe Psychotherapie für Menschen mit Intelligenzminderung sei flächendeckend im Regelsystem zu verankern, spezialisierte Angebote sollten diese Struktur ergänzen. Zusätzlich bräuchte es Schwerpunktpraxen, denen der Mehraufwand angemessen vergütet wird, und Hochschulambulanzen mit dem Schwerpunkt Intelligenzminderung. Schließlich sei mehr Forschung zu praxisbezogenen Themen notwendig. An den Gesetzgeber appellierte Prof. Dr. med. Michael Seidel, Menschen mit Intelligenzminderung in die Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten einzuschließen. Von den Psychotherapeutenkammern wünsche er sich, die bestehenden Aktivitäten zu verstetigen. Positiv sei, dass die Musterweiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als Produkt der beruflichen Selbstverwaltung die Gruppe der Menschen mit Intelligenzminderung ausdrücklich einbeziehe. Die Zulassungsschüsse und die Krankenkassen rief er auf, Psychotherapie in den Medizinischen Zentren für Erwachsene mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung (MZEB) zu ermöglichen.
Martina Schu von der Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS) informierte über das „Gutachten zur psychiatrischen Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung und/oder mit Autismus-Spektrum-Störungen in Nordrhein-Westfalen“. Das MAGS hatte es im Dezember 2021 in Auftrag gegeben; im September 2022 sollen die Ergebnisse vorliegen. Vorrangiges Ziel des Gutachtens sei, die vorhandenen Versorgungskonzepte und -angebote für diese beiden Personengruppen in Nordrhein-Westfalen zu erfassen. Des Weiteren wolle man in Fachgesprächen mit Akteurinnen und Akteuren Fragestellungen wie „zentralisierte versus dezentralisierte Konzepte“ und „Regelversorgung versus spezialisierte Versorgung“ diskutieren und Finanzierungsformen beleuchten. Auch die Sichtweise der Selbsthilfe solle eingebunden werden.
Annika Kleischmann vom Zentrum für Psychische Gesundheit und Psychotherapie der Universität Witten-Herdecke beschrieb im Gespräch mit ihrem Co-Referenten Benjamin Holland beispielhaft Besonderheiten in der Psychotherapie von Menschen mit Intelligenzminderung. Die Psychologische Psychotherapeutin arbeitet schwerpunktmäßig mit dieser Patientengruppe, Benjamin Holland ist von einer kognitiven Einschränkung betroffen und als Assistenzgruppenleitung in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung beschäftigt. Mit ihrem Vortrag in Dialogform sind beide unter anderem in Seminaren der Hochschule und in Fortbildungen der Psychotherapeutenkammer NRW zu Gast. Über praxisnahe Informationen und den direkten Austausch möchten sie dazu beitragen, Lust auf die Arbeit mit dieser Klientengruppe zu machen und Berührungsängste abzubauen.
In ihrem Gespräch gaben sie einen Einblick in ihre gemeinsame psychotherapeutische Arbeit und für Benjamin Holland hilfreiche Anpassungen in der Therapiegestaltung. In ihren Ausführungen betonten sie die zentrale Rolle von Bezugspersonen. Häufig seien sie es, die den ersten Kontakt in das Versorgungssystem anbahnen, hielt Annika Kleischmann fest. Fehle diese Unterstützung, fehle der Zugang. Nach außen entstünde der Eindruck, es gäbe keine Nachfrage – tatsächlich aber trete der Bedarf schlichtweg nicht in Erscheinung. Auch für die Durchführung der Therapie kämen den Bezugspersonen wichtige Aufgaben zu: als Wegeassistenz, bei organisatorischen Absprachen und in therapiebegleitenden Gesprächen. Für ihren Einbezug und für die Arbeit mit Menschen mit Intelligenzminderung bräuchte es mehr Stunden in der Psychotherapie-Richtlinie, betonte die Psychotherapeutin. Insbesondere für die Versorgung von Menschen mit schwerst- und mittelgradigen Einschränkungen sei eine Flexibilisierung vonnöten. Sie könnten oft nicht ambulant versorgt werden; entsprechend müssten aufsuchende Leistungen refinanziert werden. Benjamin Holland wünschte sich abschließend, dass mehr Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sich dafür öffnen, Menschen mit Handicap zu behandeln. Persönliche Begegnungen, beispielsweise in den Einrichtungen, könnten eventuelle Unsicherheiten auflösen.
Am Nachmittag wurden parallel fünf Workshops angeboten: Themen waren die Supervision in besonderen Wohnformen oder bei Trägern der ambulanten Wohnunterstützung, psychodynamische, verhaltenstherapeutische und systemische Ansätze in der Psychotherapie mit Menschen mit Intelligenzminderung und Psychotherapie aus Sicht von Betroffenen. Im jeweiligen Tätigkeitsbereich langjährig erfahrene Mitglieder der Psychotherapeutenkammer NRW hatten die Leitung und die Co-Leitung der Workshops übernommen. Auch Menschen mit Intelligenzminderung beteiligten sich mit eigenen Beiträgen.
In der folgenden Podiumsdiskussion beleuchteten Akteurinnen und Akteure aus verschiedenen Bereichen des Versorgungssystems gemeinsam weitere relevante Aspekte der psychotherapeutischen Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung. Ulrich Langenberg, Gruppenleiter in der Abteilung Krankenhausversorgung im MAGS, stellte heraus, man sei weiterhin mit Problematiken beispielsweise hinsichtlich Vergütung, Wartezeiten oder fehlenden Handlungsspielräumen in den Medizinischen Zentren für Erwachsene mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung konfrontiert. Gleichzeitig seien über die Jahre auch Verbesserungen gelungen. Dies mache Mut, sich weiterhin zu engagieren. Dabei müsse im Blick bleiben, dass es nicht nur zu wenig, sondern auch nicht immer die richtigen Angebote gäbe. Wichtige Ziele seien passende Versorgungsangebote, mehr Vernetzung und die Ermöglichung von aufsuchenden Leistungen, um übergreifend arbeiten zu können.
Prof. Dr. Adelheid Schulz, Psychologische Psychotherapeutin und Sprecherin der Kommission „Psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung“ der Psychotherapeutenkammer NRW, hob hervor, dass Psychotherapie bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen nachweislich effektiv sei und das Recht dieser Personengruppe auf eine angemessene Versorgung in der UN-Behindertenkonvention festgeschrieben wurde. Damit die Versorgungswirklichkeit dies auch abbilde, bräuchte es flexiblere Rahmenbedingungen, mehr Kapazitäten, Wissensvermittlung bereits in Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie frühe Berührungspunkte mit Menschen mit Intelligenzminderung. Es sei an der Zeit, nicht immer weiter aufzuzeigen, was nicht gut läuft, sondern den Zug ins Rollen zu bringen und an praxistauglichen Lösungen zu arbeiten.
Dr. med. Jörg Stockmann, Beiratsmitglied des Vorstands der Bundesarbeitsgemeinschaft für medizinische Zentren für Erwachsene mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung (BAG MZEB), schilderte bereichernde persönliche Erfahrungen und ermutigte den Berufsstand, sich in diesem Versorgungsbereich zu engagieren. Je mehr Akteurinnen und Akteure beteiligt und miteinander vernetzt seien, um so besser sei dies für die Betroffenen; die große Heterogenität der Zielgruppe erfordere vielfältige Lösungsansätze. In den Medizinischen Zentren für Erwachsene mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung (MZEB) würde aktuell der Großteil der Aktivitäten darin bestehen, in multidisziplinären Teams die jeweilige Problemlage zu klären. Im Sinne des Gesetzes seien MZEB zwar auch als Behandlungszentren vorgesehen. In der Praxis würden die Zulassungsausschüsse bzw. die Krankenkassen die Umsetzung jedoch nicht ermöglichen. Psychotherapie werde nicht finanziert.
Matthias Mohrmann, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg, wies auf die Bedeutung von niedrigschwelligen Beratungsangeboten und die Begleitung von Patientinnen und Patienten hin. In einem vielgliedrigen Gesundheitssystem mit unterschiedlichen Leistungsträgern würden insbesondere vulnerable Gruppen nicht den Weg zu den vorhandenen Angeboten finden. Käme man zu der Ansicht, dass Angebote fehlen, sei zu klären, ob mehr Psychotherapiemöglichkeiten benötigt würden oder das Spektrum inhaltlich erweitert werden müsse. Die Krankenkassen würden sich als Unterstützerinnen sehen. Um auf Landesebene aktiv zu werden, müsse jedoch konkret aufgezeigt werden, wo Defizite bestehen. Möglicherweise ließen sich regionale Modellprojekte aufsetzen und daraus Ableitungen für die Regelversorgung gewinnen.
Beate Kubny, Abteilungsleitung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), Dezernat Soziales, erklärte, mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes und dem Inkrafttreten des neuen SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) seien Rahmenbedingungen geschaffen worden, mit denen die psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung um wichtige Facetten ergänzt werden könne. Hierzu würden Assistenzleistungen wie Wegebegleitungen oder Hilfen bei der Umsetzung von Therapieinhalten im Alltag zählen. Bisher seien diese Leistungen allerdings wenig beantragt worden. Dies könne daran liegen, dass wenige Menschen mit Intelligenzminderung Zugang zu einer ambulanten Psychotherapie hätten. Über die Förderung der Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsstellen wolle der LVR unterstützen, dass Betroffene die für sie richtige Stelle im Versorgungssystem finden.
Viele Teilnehmende nutzten die Gelegenheit, sich an den Diskussionen nach den Vorträgen und der Podiumsrunde aktiv zu beteiligen. Dass nicht alle der zahlreichen Wortmeldungen in dem zur Verfügung stehenden Zeitrahmen gehört werden konnten, unterstrich letztlich das große Interesse an dem Thema der Tagung und dem Austauschbedarf hierzu.
Gerd Höhner dankte abschließend dem Ministerium für die gute Zusammenarbeit bei dem Thema „psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung“ und der Kommission der Kammer für ihre engagierte Arbeit. Insbesondere galt sein Dank auch den Leitungen und Co-Leitungen der Workshops und dem Organisationsteam für die gelungene Umsetzung der Online-Tagung. Im Laufe des Tages sei deutlich geworden, dass die Mängel in der Versorgung überwunden werden könnten. Viele fachlich qualifizierte Kolleginnen und Kollegen seien bereit, sich zu engagieren. Damit sie im Sinne der Fachlichkeit mit dieser Personengruppe arbeiten können, müsse jedoch die Psychotherapie-Richtlinie weiterentwickelt und an den Erfordernissen der Praxis ausgerichtet werden. Wichtig sei zudem, nicht nur über, sondern mit der Zielgruppe zu sprechen. Die Kerndiskussion der nächsten Zeit werde die Zuständigkeiten und die Übernahme von Kosten beinhalten. Er sei nicht hoffnungslos, dass sich die Versorgunglage verbessern lasse, bekräftigte der Kammerpräsident. Er sei jedoch darauf eingestellt, dass man dafür noch lange kämpfen müsse. Die Profession sei gewillt, dies zu tun.
Ulrich Langenberg erklärte, es habe ihn begeistert zu erfahren, dass Psychotherapie bei Menschen mit Intelligenzminderung nicht nur herausfordernd sei, sondern fachlich faszinierend und erfolgsversprechend und von den Behandelnden als bereichernd erlebt werde. Die Fachtagung habe gezeigt, dass man viel über die Strukturen nachdenken müsse, in denen die Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung stattfinde. Eine zentrale Frage sei, wie bestehende Angebote besser aufgefunden werden. Darüber hinaus müsse man intensiv über die Balance zwischen Spezialisierung und in der Fläche vorhandenen Angeboten nachdenken. Er dankte allen an der Veranstaltung inhaltlich und organisatorisch Beteiligten und bilanzierte, die Tagung habe viele wertvolle Impulse und Ideen aufgebracht. Man werde sie weiterverfolgen und im Austausch bleiben.