Tag der Neuapprobierten am 13. März 2010 in Dortmund
Das Interesse war wieder enorm: Nahezu 130 Neuapprobierte fanden sich am 13. März 2010 in Dortmund ein, um sich darüber zu informieren, wie die Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) ihre beruflichen Interessen vertritt und wie sie selbst mit anderen in der Kammer aktiv werden können. In Vorträgen, Diskussionsrunden und an Ständen wurde den Tag über Wissenswertes zu allen Fragen der Berufsausübung vermittelt. Als Gesprächpartner standen Vorstandsmitglieder der PTK NRW, Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein (KVNo) und Westfalen Lippe (KVWL), des Versorgungswerks sowie der Geschäftsstelle der Kammer zur Verfügung.
Präsidentin Monika Konitzer beschrieb die eklatante Unterversorgung in der psychotherapeutischen Versorgung. Für rund fünf Millionen behandlungsbedürftig psychisch erkrankte Menschen in Deutschland ständen nur circa 1,5 Millionen psychotherapeutische Behandlungsplätze, ambulant und stationär, zur Verfügung. Die Folge seien monatelange Wartezeiten auf einen Therapieplatz und lange Arbeitsunfähigkeitszeiten. Deshalb sei eine Reform der Bedarfsplanung notwendig. Die Unterschiede zwischen besser versorgten städtischen Bezirken und schlechter versorgten ländlichen Regionen seien in der psychotherapeutischen Versorgung weit größer als in der ärztlichen Versorgung. Monika Konitzer schilderte, dass es den Psychotherapeutenkammern gelungen sei, die Versorgung für psychisch kranke Kinder und Jugendliche zu verbessern. Deshalb seien jetzt mindestens 20 Prozent aller Praxissitze für Leistungserbringer reserviert, die ausschließlich Kinder- und Jugendliche behandeln.
Die PTK NRW setze sich ferner dafür ein, dass Psychotherapeuten die gleichen sozialrechtlichen Befugnisse erhalten wie Ärzte. Es sei unverständlich, dass Psychotherapeuten nicht in Krankenhäuser und an Fachärzte überweisen, Logopädie verordnen oder Arbeitsunfähigkeit bescheinigen könnten. Konitzer wies ebenfalls darauf hin, dass in Zukunft die Bedeutung von evidenzbasierten Behandlungskonzepten zunähme. Außerdem arbeite die Gesundheitspolitik an einer sektorübergreifenden Qualitätssicherung, die sowohl die ambulante als auch die Krankenhausversorgung umfasse. Darauf seien Neuapprobierte allerdings gut vorbreitet. Die Dokumentation dürfe allerdings nicht Selbstzweck werden und müsse auf das Notwendige beschränkt werden. Insbesondere müssten Schweigepflicht und Datenschutz gewährleistet sein. Aufgabe der Kammer sei es deshalb in den nächsten Jahren, Qualitätssicherung aus Sicht der Profession zu definieren.
Schließlich wies Konitzer darauf hin, dass die älter werdende Gesellschaft in Zukunft Behandlungsstrukturen und -bedarf verändern werde. Auch in psychotherapeutischen Praxen würden ältere Patienten altersgerechte Behandlungsangebote nachfragen. Interessiert erkundigte sich eine Zuhörerin, ob eine Steuerung der Versorgung bei älteren Patienten durch die Kostenträger zu beobachten sei, weil z.B. der Behandlungserfolg in Frage gestellt würde. Ganz im Gegenteil, so Monika Konitzer, die Kostenträger wünschten sich, dass es mehr Behandlungsangebote gebe.
Konitzer beschrieb die berufspolitischen Aussichten durchaus positiv, da der Fachärztemangel weiter zunehme. Allerdings sei es notwendig, flexiblere, gestufte Behandlungsangebote zu entwickeln, die nach Schwere und Dauer der Erkrankung differenzierten. Des Weiteren sei es erforderlich, die ambulante und stationäre Versorgung besser zu verzahnen, um Brüche in der Behandlung zu vermeiden und Doppelstrukturen zu verringern. Die Präsidentin appellierte abschließend an die neuen KollegInnen, sich zu vernetzten. Psychotherapeuten seien als Berufsgruppe grundsätzlich kooperativ und kommunikativ als auch orientiert an einer teamorientierten Zusammenarbeit - mit diesem Pfund sollten sie auch wuchern.
Unter dem Blickwinkel „Mein Beruf als PsychotherapeutIn – Wie geht es weiter“ betonte Hermann Schürmann, Vizepräsident der PTK NRW, dass zwar 57 Prozent der Kammermitglieder in eigener Praxis tätig seien, viele andere aber auch in Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen, Behinderten-Einrichtungen, Beratungsstellen, Jugendhilfe-Einrichtungen, Hochschulen und der Forensik. Dies müsse auch durch die Reform der Ausbildung deutlicher werden. Am Beispiel Krankenhaus, d.h. der Tätigkeit auf der Station, in Tagesklinik und Ambulanz, zeigte Hermann Schürmann die besonderen Arbeitsschwerpunkte, notwendigen Fähigkeiten des Psychotherapeuten und die guten Einstellungschancen wegen Ärztemangels auf. Aufstiegsmöglichkeiten bestünden im Prinzip, es gäbe aber rechtliche Hürden. In diesem Zusammenhang hob er hervor, dass aktuell Psychotherapeuten z.B. keine Krankenhauseinweisungen veranlassen oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen dürften, dies aber ein Thema sei, das die Bundespsychotherapeutenkammer derzeit angehe. Näher erläutert wurde auch das Tätigkeitsfeld der Beratungsstellen mit eher kürzeren Interventionen als Arbeitsschwerpunkt und das Medizinische Versorgungszentrum mit Arbeitsmöglichkeiten wie in der Praxis und Entlastung von Verwaltungsaufgaben. Die Eingruppierung von Psychologischen Psychotherapeuten (PP) und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) sei in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (TVöD) noch nicht geregelt. Psychotherapeuten würden deshalb häufig als Psychologen eingruppiert. Etwa ein Drittel der Krankenhäuser würde von privaten Trägern vertrieben und hätte eigene Haustarife.
Zu den Rechten und Pflichten des PP und KJP informierte Nina Varasteh, Justiziarin der PTK NRW. Das fortlaufende Fortbildungsangebot der Kammer erlaube die Vertiefung berufsrechtlicher Fragen. Die Kammer biete in diesem Jahr Fortbildungen zum Berufsrecht für angestellte Psychotherapeuten in Einrichtungen der Jugendhilfe, für niedergelassene Psychotherapeuten sowie angestellte Psychotherapeuten in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen an. Varasteh wies darauf hin, dass auch angestellte PP und KJP eigenverantwortlich tätig seien und Freiberufler blieben, auch wenn sie weisungsgebunden tätig seien. Im Zusammenhang mit Berufsausübungsgemeinschaften hob sie besonders hervor, dass die Verarbeitung der Patientendaten von Anfang an so zu organisieren ist, dass bei Auflösung des Zusammenschlusses eine Trennung der Datenbestände unter Wahrung des Datengeheimnisses möglich ist.
Volker Schmidt-Lafleur stellte das 2004 gegründete „Versorgungswerk der Psychotherapeutenkammer NRW“ (PTV NRW) vor, das eine attraktive Alterssicherung ermögliche. Der Geschäftsführer des PTV NRW kündigte an, dass dem Versorgungswerk, dem sich schon die Psychotherapeutenkammer Baden-Württemberg angeschlossen hat, voraussichtlich ab 1. Juli 2010 auch die Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer beitrete. Maßgeblich für die Mitgliedschaft sei die Satzung des PTV, eingestellt unter www.ptv-nrw.de. Er beschrieb die Möglichkeiten der Befreiung von der Beitragspflicht als auch die Möglichkeit zusätzlicher freiwilliger Beiträge. In diesem Jahr liege die Nettorendite der eingezahlten Beiträge voraussichtlich wieder bei vier Prozent. Die Zuhörer stellten vor allem noch Fragen zur Berufsunfähigkeit und Reha-Leistungen.
Marion Henkel von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe stellte insbesondere die neuen Niederlassungsmöglichkeiten dar, die sich in den nächsten Monaten aus der geänderten Bedarfsplanungsrichtlinie zur 20-Prozent-Mindestquote für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ergeben. Lägen mehr Zulassungsanträge vor als Sitze zur Verfügung stehen, habe der Zulassungsausschuss eine Entscheidung zu treffen, in der er autonom sei. Zur Sonderbedarfszulassung für zulassungsbeschränkte Planungsbereiche sei ein Antrag an den Zulassungsausschuss mit entsprechender Begründung zu richten. Weiterhin erklärte sie die zur Zulassung als Vertragspsychotherapeut erforderlichen Schritte.
Horst Bartels, Justiziar der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, berichtete zum Thema „Praxisabgabe und Praxisübergabe“. Neu und üblich am Markt geworden sei die Vergabe von halben Sitzen, von denen auch zwei halbe zusammengesetzt werden könnten. Er stellte verschiedene Möglichkeiten der Übergabe von Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft und Anstellung dar, als auch das Herauslösen eines Sitzes aus einer Berufsausübungsgemeinschaft und anderer Varianten vor dem Hintergrund vorliegender bzw. nicht vorliegender Zulassungsbeschränkung und unterschiedlicher Zielsetzungen.
Carsten Bellen von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe vertiefte zum Schluss nochmals die Rechte und Pflichten aus der Zulassung sowie Modalitäten der Anstellung. Er erläuterte die Kooperationsmöglichkeiten von Vertragspsychotherapeuten untereinander und mit Vertragsärzten (z.B. in Medizinischen Versorgungszentren). Ebenso informierte er zum Job-Sharing, der Ermächtigung in freier Praxis sowie zu Nebentätigkeiten.