Kammerversammlung am 24. November 2018 in Dortmund

Auf der Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) in Dortmund am 24. November 2018 berichtete der Vorstand über die Aktivitäten der Kammer und informierte zu aktuellen berufspolitischen Entwicklungen und damit verbundenen Aufgaben für die Kammer und den Berufsstand.

Gerd Höhner, Präsident der PTK NRW, schickte seinen mündlichen Ausführungen zum schriftlichen Bericht des Vorstandes den Appell voraus, die Profession möge sich zu gesellschaftlichen Tendenzen wie rassistischen Ressentiments positionieren. „Auf dem letzten Deutschen Psychotherapeutentag warnte der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, Dr. Dietrich Munz, in offenen Worten und vor dem Hintergrund deutscher Vergangenheit davor, Individualität zu übersehen und Menschen aufgrund bestimmter kollektiver Merkmale anzufeinden. Ich finde seine Worte richtig und wichtig, denn im Sinne unseres psychotherapeutischen Selbstverständnisses müssen wir uns fragen und dazu äußern, wie wir gesellschaftlich mit Aggressivität umgehen können.“

Anerkennung der Systemischen Therapie

Zum aktuellen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Nutzenbewertung der Systemischen Therapie hielt Gerd Höhner fest, dass nun die Tür zur sozialrechtlichen Anerkennung dieses Verfahrensbereich offen stünde. „Mit der Anerkennung des Nutzens der Systemischen Therapie wurde die Voraussetzung für die sozialrechtliche Anerkennung geschaffen. Dieser nächste Schritt muss nun gegangen werden! Es ist eine wichtige Weiche gestellt worden, dass ein Verfahren in Anwendung kommen kann, das insbesondere in bislang wenig berücksichtigten Versorgungsbereichen wie der Jugendhilfe Arbeits- und Aufgabenfelder eröffnet, die bisher eher hintenanstanden.“ Zudem sei damit eine grundsätzliche Erweiterung der wissenschaftlichen Grundlagen der Psychotherapie und damit ein Beitrag zur fachlichen Vielfalt ins System gekommen. „Neben dem Engagement der Fachverbände haben wir uns hier mit unserer politischen Positionierung in den letzten Jahren durchgesetzt“, resümierte der Kammerpräsident. „Auf unsere Durchhaltefähigkeit können wir stolz sein. Wir werden unseren Weg weitergehen.“

TSVG-Entwurf

Im Zusammenhang mit dem vom Bundeskabinett Ende September 2018 beschlossenen Entwurf eines „Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung“ (Terminservice- und Versorgungsgesetz, TSVG) berichtete Gerd Höhner von einem Gespräch im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Die beteiligten Vorstandsmitglieder hätten eindringlich auf die Fehler im geplanten TSVG hingewiesen und in diesem Zusammenhang angeregt, den Passus zu einer „gestuften und gesteuerten Versorgung“ zu streichen. „Der mittlerweile vorliegende Beschluss des Gesundheitsausschusses des Bundesrates, die im TSVG vorgesehene gestufte und gesteuerte Versorgung für die psychotherapeutische Behandlung abzulehnen, ist sehr konsequent. Ich gehe davon aus, dass dieses Thema nun nicht länger verfolgt wird. Dennoch wird die Kammer ihre Überlegungen hierzu nochmals im Ministerium einbringen.“

Reform der Psychotherapeutenausbildung

In der internen Kammerarbeit habe man sich in den vergangenen Monaten unter anderem intensiv mit der Reform der Psychotherapeutenausbildung und der Umsetzung der Weiterbildung auf Landesebene auseinandergesetzt, informierte Gerd Höhner weiter. „Wir haben das Gespräch mit den Ausbildungsinstituten gesucht, die in Weiterbildungsinstitute überführt werden sollen, und sind in einen konstruktiven, zukunftsgerichteten Dialog eingetreten.“ Ein wichtiger Zwischenschritt sei die Erklärung des BMG, für die Finanzierung der Weiterbildung verantwortlich zu zeichnen, wenn die Länder die entsprechenden Änderungen in den Heilberufsgesetzen vornehmen. „Das Ping-Pong-Spiel zwischen Bund und Ländern ist damit endlich vom Tisch.“ Laut Bundesgesundheitsministerium soll der Referentenentwurf zum Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung bis Anfang 2019 vorliegen.

In der Aussprache hoben Kammerversammlungsmitglieder nochmals hervor, dass die Systemische Therapie nun in die Psychotherapie-Richtlinie aufgenommen werden müsse und darauf hinzuwirken sei, dass sie auch als für Kinder und Jugendliche bedeutsamer Anwendungsbereich anerkannt werde. Ebenso sei zu überlegen, wie die Systemische Therapie angemessen in der Ausbildung bzw. zukünftig der Weiterbildung berücksichtigt werden kann. Gerd Höhner kündigte als Politik des Vorstandes an, weiterhin Gespräche und Wege zu suchen, wie sich die fachliche Vielfalt in der Versorgung und in der Aus- und Weiterbildung sicherstellen ließe. Darüber hinaus besprach sich die Kammerversammlung zu den politischen Aktivitäten des Vorstandes, darunter ein Termin im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) NRW zu den Konsequenzen der geänderten Psychotherapie-Richtlinie, Gespräche mit den gesundheitspolitischen Sprechern der Parteien sowie Kontakte zu versorgungsrelevanten Institutionen in NRW.

Beschlussfassung zu Resolutionen

Die Kammerversammlung  der PTK NRW verabschiedete in ihrer Sitzung vier Resolutionen mit klaren Forderungen an die Politik: „Psychotherapie stärken! Insbesondere Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie stärken!“, „Niederschwelligen und direkten Zugang zur Psychotherapie erhalten, Diskriminierung psychisch kranker Menschen verhindern!“, „Verurteilung der Heraufsetzung der wöchentlichen Tätigkeit in Form von Sprechstunden“ und „Reform der Bedarfsplanung bleibt vorrangiges Ziel!“. Die Resolutionstexte können hier [interner Link] nachgelesen werden.

Jahresabschluss 2017 und Haushalt 2019

Andreas Pichler, Vizepräsident der PTK NRW, informierte über den Haushalt der Kammer und den Jahresabschluss 2017. Den Rücklagen könne ein Überschuss zugeführt werden und die Rücklagenentwicklung läge damit oberhalb des in der Haushalts- und Kassenordnung vorgesehenen Solls. Angesichts des Finanzbedarfs in 2019 und in den Folgejahren wurden die Überschüsse in zweckgebundene Rücklagen überführt. Die Beitragshöhe für die Mitglieder könne gehalten werden. „Wir erreichen damit unser Ziel, die Legislatur finanzpolitisch in geordneten Verhältnissen abzuschließen“, bilanzierte Andreas Pichler. Nach Empfehlung des Finanzausschusses nahm die Kammerversammlung den Jahresabschluss 2017 mit großer Mehrheit an und entlastete den Vorstand für das Geschäftsjahr 2017.

Für das Haushaltsjahr 2019 erläuterte der Vizepräsident die anzunehmenden Kosten und verdeutlichte, dass aufgrund des voraussichtlichen Mitgliederzuwachses mit Mehreinnahmen aus Mitgliederbeiträgen zu rechnen sei, dem aber Mehrkosten beispielsweise für Kammerversammlungen gegenüberstünden, da auch die Zahl der Delegierten steigen würde. „Mittelfristig wird angesichts steigender Mitgliederzahlen, einer stärkeren Inanspruchnahme von Beratungsleistungen und der Ausweitung der Aufgaben auch der Stellenplan weiterentwickelt werden müssen, vor allem in den Bereichen Recht, EDV und Sachbearbeitung“, erklärte Andreas Pichler. Des Weiteren soll die Mitwirkung von ehrenamtlich Tätigen in der Kammer gestärkt und ein vielfältiges Veranstaltungsangebot vorgehalten werden können. Die Kammerversammlung beschloss zudem Änderungen der Entschädigungs- und Reisekostenordnung hinsichtlich der Erstattung von Umsatzsteuer, dem Auslagenersatz für Betreuungsleistungen und der Erhöhung von Aufwandsentschädigungen in Höhe des Inflationsausgleichs. Abschließend folgte die Kammerversammlung erneut dem Votum des Finanzausschusses und nahm den Haushaltsplan 2019 an.

Wahlen für die Vertreterversammlung des Versorgungswerkes und den DPT

Als neue Mitglieder in der Vertreterversammlung des Versorgungswerkes der PTK NRW wählte die Kammerversammlung Julia Leithäuser (Kooperative Liste), Manush Bloutian (Kooperative Liste), Fricka Wankmüller (Bündnis KJP), Jürgen Kuhlmann (DGVT) und Andreas Wilser (Psychotherapeuten OWL). Als Ersatzmitglieder wurden Martin Zange (Kooperative Liste), Benedikta Enste (Bündnis KJP), Jürgen Rönz (DGVT), Michael Maas (PsychotherapeutInnen NRW) und Ingeborg Struck (Analytiker) gewählt. Neuer stellvertretender Delegierter für den DPT wurde Manfred Radau (Kooperative Liste).

Spezielle Psychotherapie bei Diabetes

Für den Ausschuss Fort- und Weiterbildung berichtete die Ausschussvorsitzende Anni Michelmann über den Fachtag „Spezielle Psychotherapie bei Diabetes“ der PTK NRW am 31. Oktober 2018 [interner Link]. Alle Referenten hätten verdeutlicht, dass der Alltag mit Diabetes hohe Anforderungen an die Betroffenen stelle, es zu wenige auf Diabetes spezialisierte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gäbe und eine spezielle Psychotherapie bei Diabetes sinnvoll sei – sowohl als Reaktion auf den bestehenden Versorgungsbedarf wie auch für die Entwicklung neuer Berufsfelder für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Der Ausschuss schlage daher vor, ein Weiterbildungscurriculum „Spezielle Psychotherapie bei Diabetes“ zu entwickeln, das es ermöglicht, die theoretischen Teile der Weiterbildung auch als zertifizierte Fortbildung absolvieren zu können. Gerd Höhner bekräftige, es sei wichtig, die bestehende Nachfrage zu befriedigen und gleichzeitig zukünftige Arbeitsfelder zu erschließen. Vieles spräche dafür, sich schnell um dieses Thema zu kümmern. Der Ausschuss möge daher für die nächste Kammerversammlung einen beschlussfähigen Entwurf zu einer Weiterbildung „Spezielle Psychotherapie bei Diabetes“ vorlegen.

Die sich anschließende Beratung bewegte sich im Spannungsfeld von Einwänden wie „eine Weiterbildung wertet die Approbation ab“ oder „die Zahl möglicher Interessenten ist gering“ und Argumenten für eine Weiterbildung, da sie Spezialisierung ermögliche, ankündigungsfähig sei und aufgrund ihres sozialrechtlichen Stellenwertes in den Stellenplänen Berücksichtigung finden könne. In der Beschlussfassung votierten die Kammerversammlungsmitglieder dafür, den Ausschuss Fort- und Weiterbildung mit dem Entwurf für eine curriculare Fortbildung „Psychotherapie bei Diabetes“ zu beauftragen, deren Inhalte im Rahmen einer gegebenenfalls später einzuführenden Weiterbildung „Spezielle Psychotherapie bei Diabetes“ anerkennungsfähig sind. Der Entwurf soll der Kammerversammlung in ihrer nächsten Sitzung Mai 2019 zur Beratung und Beschlussfassung vorliegen.

Psychotherapie für Menschen mit Intelligenzminderung

Aus der von der Kammer Anfang 2018 einberufenen Kommission „Psychotherapie für Menschen mit Intelligenzminderung“ berichtete Prof. Dr. Adelheid Schulz. Schwerpunktmäßig habe man sich mit den nicht hinreichend geklärten Fragen zur Versorgung befasst, den Besonderheiten der Klientel sowie der Frage, ob Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten für die Arbeit mit intelligenzgeminderten Menschen besondere Qualifikationen benötigen. Um Konzepte für eine bessere Versorgung zu erarbeiten, habe die Kommission zunächst zentrale Aufgaben definiert. So müsse geklärt werden, was in den Bereich der Pädagogik fiele und wo Psychotherapie gefragt sei. Da sich viele Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nicht sicher in der Behandlung Intelligenzgeminderter fühlen, müsse man über Fortbildung, Supervision und Coaching nachdenken. Zu überlegen sei auch, wie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit entsprechenden Angeboten besser auffindbar würden oder Kontakte knüpfen könnten. Zum G-BA-Beschluss, die Psychotherapie-Richtlinie für die Arbeit mit intelligenzgeminderten Menschen zu flexibilisieren, hielt die Expertin fest, dass dies eine quantitative, weniger jedoch eine qualitative Veränderung mit sich bringe und ein Anfang sei, aber keine Klärung bestehender Fragen.

Die Aussprache war geprägt von Anerkennung dafür, dass die Kommission dieses Thema aufgreift. Es bestünde ein klarer Versorgungsauftrag und die Profession müsse sich damit befassen, wie er jetzt und in Zukunft umgesetzt werden könne. „Wir erhalten mittlerweile viel Aufmerksamkeit für unsere Aktivitäten in diesem Bereich und es ist gut, dass bestehende Vorurteile gegenüber der Psychotherapie für diese Menschen in Bewegung kommen“, betonte Kammerpräsident Gerd Höhner abschließend.

Die Tagesordnungspunkte „Dokumentation psychotherapeutischer Behandlungen“, „Digitale Agenda“ und „Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie (WBP) zum Antrag der AG Humanistische Psychotherapie“ wurden aus zeitlichen Gründen auf die nächste Kammerversammlung im Mai 2019 vertagt.

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